Attila - Die Welt in Flammen
Tal, in dem große Feuer gewütet haben mussten. Auf den noch qualmenden Stoppelfeldern lagen schwarze Gestalten verstreut, keine verbrannten Garben, sondern Männer, Frauen, Kinder, in den Armen ihrer Mütter verbrannte Säuglinge, Mütter, die im Tod ihre Kinder umklammert hielten, schwarz verkohlt und mit aufgerissenen Mündern. Man kann nur beten, dass ihre Seelen nach solch unvorstellbaren Qualen Erlösung fanden. In der Nacht ging über dem Tal ein sommerlicher Wolkenbruch nieder. Am Morgen lagen die Leichen aschgrau im weiter strömenden Regen; von manchen waren nur noch die Knochen übrig, die wie fremdartige Wurzelgewächse weiß aus dem grauen Schlamm ragten. Wie ein Leichentuch deckte er sie mit schwerer, nasser Scholle halb zu.
Unsere hunnischen Führer zeigten auch bei diesem Anblick keine Regung. Der eine, Geukchu, bemerkte nur, dass dies vermutlich das Werk ihres Brudervolkes war, der besonders gefürchteten Kutrigurischen Hunnen. Doch er sagte es nicht so, als wollte er sie irgendwie entschuldigen.
Wir zogen ein ganzes Stück weiter, ehe wir an jenem Abend rasteten, doch es war noch immer nicht weit genug. Der Rauch unserer Lagerfeuer stieg in der stillen Abendluft auf, während wir auf dem Rücken dalagen und zum dunklen Himmel aufsahen, geplagt von den schaurigen Bildern, die wir gesehen hatten. Über uns die blinkenden Sterne, jene himmlischen, lichten Regionen, wo alles rein und gut ist, weit entrückt von dieser sündhaften, vergänglichen Welt, die von Gewalt und Raserei verfinstert wurde, vom rücksichtslosen Wüten ehrgeiziger Männer. Und der Wolf wird bei dem Lamme weilen und der Panther bei dem Böcklein lagern, und ein kleiner Knabe wird sie treiben, spricht der Herr. Und man wird nirgends Sünde tun noch freveln auf meinem ganzen heiligen Berge.
Aber wie lange noch bis dahin, oh Herr? Wie lange?
Es schien uns, als würde die Viper mit ihrem Gift uns noch alle überleben; dass Attilas Blutrunst am Ende bis zum Himmel selbst emporsteigen und das weiß strahlende Licht der Ewigkeit besudeln könnte, ganz so wie der dichte Rauch, der schwer und fettig von jenem verkohlten Feld voller Leichen aufstieg. Ein erstickender Schleier hatte sich zwischen unsere fragend gen Himmel gerichteten Gesichter und jene weißen himmlischen Welten gelegt, die unserem Blick dann entzogen wären.
8. DIE GESANDTSCHAFT
S chließlich erreichten wir unser Ziel, eine grasbewachsene Ebene, auf der, so weit das Auge reichte, die Völkerscharen Attilas ihr Lager aufgeschlagen hatten. Eine Stadt aus Lederzelten an den Ufern eines großen Sees; Sonnenschein und friedlich aufsteigender Rauch von zahllosen Feuerstellen, Kinderlachen: ein idyllischer Anblick.
Aëtius brach endlich sein Schweigen und wandte sich an den Griechen. «Dann habt ihr also wieder eure Frauen und Kinder dabei?»
Orestes sah ihn mit seinen hellblauen Augen ruhig an. «Warum nicht? Für sie besteht ja nun keine Gefahr mehr.» Wieder spielte der Anflug eines Lächelns um seine Lippen. «Eure Armee ist vernichtet.»
* * *
Als wir gerade dabei waren, unser Lager auf einem kleinen Hügel aufzuschlagen, kam eine Gruppe hunnischer Krieger auf ihren Pferden angeritten und forderte uns unfreundlich auf, uns gefälligst einen Platz weiter unten in dem feuchten Tal zu suchen; es stehe uns nicht zu, auf das Zelt des Großen Tanjou hinabzublicken. Wir gehorchten ohne Widerworte. Sie verlangten auch, dass die Wolfskrieger ihre Waffen aushändigten, ein Ansinnen, das Prinz Theoderich mit einem knappen «Nein» zurückwies. Sie berieten sich kurz und erklärten dann, es sei in Ordnung, vor den Visigoten hätten sich die Hunnen noch niemals gefürchtet, ob bewaffnet oder unbewaffnet. Einer der Wolfskrieger, Jormunreik, knurrte aufgebracht, aber sein Prinz gebot ihm zu schweigen. Nach der Mitteilung, dass ihr Herr Attila gerade auf der Jagd sei, uns aber beizeiten empfangen werde, wendeten die Hunnen ihre Pferde und galoppierten lachend davon.
Als wir durch das Lager ritten, unterwegs zum Zelt des Königs, sah ich mit Staunen, was für eine bunte Völkerschar hier versammelt war. Hunnen bildeten natürlich die große Mehrheit, stämmige, muskulöse Gestalten mit langen schwarzen Haaren und dünnen Schnauzbärten, aber sonst eher spärlichem Bartwuchs; doch auch Griechen wie unser Begleiter Orestes waren vertreten, abtrünnige Teutonen, thüringische Häuptlinge in Bärenfellen, sogar Kelten. Daneben sahen wir Afrikaner, Spanier, Syrer. An dem Brandzeichen,
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