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Attila - Die Welt in Flammen

Attila - Die Welt in Flammen

Titel: Attila - Die Welt in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Napier
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am Spieß gebratener Schafe und Rinder. Es wäre wohl ungehörig gewesen, nachzufragen, von welchem Markt dieses ausgezeichnete Fleisch stammte. Wir ruhten nach römischer Art auf Liegen und tranken aus edelsten Kelchen. Die Hunnen selbst saßen mit gekreuzten Beinen auf dem Boden oder aufrecht auf Bänken. Attila aß ausschließlich Fleisch, von einem schlichten Holzteller. Die Unterhaltung verlief ein wenig stockend, aber harmlos. Attila sagte sehr wenig. Erst als sein kleiner Sohn Ellak – sein Lieblingssohn, wie es hieß – hereingebracht wurde, um seinem Vater gute Nacht zu sagen, zeigte der König so etwas wie echte Freude.
    Für die Nacht bot man uns, nach skythischem Brauch, die hübschesten jungen Sklavinnen zu unserem persönlichen Vergnügen an, was unsere Anführer jedoch zurückwiesen – zu meinem heimlichen Verdruss, wie ich zugeben muss. Ich war damals weit über fünfzig, und obwohl mich die Ketten der Wollust nicht mehr ganz so fest banden wie früher, war ich ihrer doch längst noch nicht ledig. Nachdem wir uns also in unsere Zelte am Rand des Lagers zurückgezogen hatten, stahl ich mich leise wieder ins Freie und eilte den jungen Frauen in der Dunkelheit hinterher. In meiner Hast übersah ich den Bau eines Murmeltiers im hohen Gras, stolperte und hätte mich beinahe ernstlich verletzt. Die Mädchen hörten mich, drehten sich um und kicherten.
    Sie waren alle entzückend anzusehen, doch eine gefiel mir ganz besonders. Eine Burgunderin nämlich, flachsblond, bildhübsch und frisch wie eine Blume. Ich nahm sie an der Hand und zog sie eilig in meine bescheidene, abgeteilte Parzelle in dem Zelt. In der Dunkelheit konnte ich sie kaum sehen, aber sie hatte zarte Hände und weiche Lippen, und ich gestehe freimütig, dass ich eine glückliche Nacht mit ihr verbrachte. Morgens räkelte sie sich schlaftrunken neben mir, nur halb zugedeckt, lächelte und meinte anerkennend, dass ich ihr, trotz meines hohen Alters, durchaus Vergnügen bereitet hätte.
    Als wir später im Licht der Morgensonne vor unseren Zelten frühstückten, nickte Aëtius mir im Vorbeigehen knapp zu, während ich auf einem großen Bissen Brot herumkaute. «Du dürftest hungrig sein», sagte er.

9. ORESTES
    I m Lager sprach ich unter anderem auch mit einem abtrünnigen Griechen, der gerade dabei war, seinem Pferd Steine aus den Hufen zu kratzen. Auf die Frage, warum er hier sei, hob er zu einem Loblied auf die Freiheit an, die er bei den Hunnen genieße, im Gegensatz zu der drückenden Steuerlast, den eigennützigen, selbstherrlichen Beamten und schikanösen Gesetzen, unter denen man als römischer Bürger zu leiden habe. Sicher, räumte er ein, früher einmal habe Rom für so etwas wie Freiheit, Würde und auch Rechtssicherheit gestanden, aber diese Zeiten seien längst vorbei. Hier dagegen herrsche wahre Freiheit. «Du hältst Attila für einen barbarischen Tyrannen», sagte er spöttisch grinsend. «Aber er unterdrückt mich nicht tagtäglich, überwacht nicht alles, was ich tue oder lasse, schreibt mir nicht meinen Glauben vor, besteuert mich nicht zu Tode. Tatsächlich muss ich ihm überhaupt keine Steuern zahlen. Ich bin sein Gefolgsmann, dafür gewährt er mir Schutz. Dieses Gemeinwesen beruht auf einfachen und edlen Regeln; es ist so, wie Rom einmal gewesen sein mag, vor langer, langer Zeit.»
    «Aber es ist ein Gemeinwesen, das sich von den Früchten anderer nährt!», wandte ich stirnrunzelnd ein.
    «In dieser Hinsicht zumindest», erwiderte er, «unterscheidet es sich keinen Deut von Rom.»
    Dieser Grieche war schon ein sehr spitzfindiger Bursche.
    * * *
    Von Attila selbst abgesehen, erregte in dem Hunnenlager vor allem jener andere Grieche, der rätselhafte Orestes, meine Neugier. Als ich ihn später ansprach und höflich fragte, ob er bereit sei, mir seine Geschichte zu erzählen, erlebte ich eine Überraschung.
    «Meine Geschichte?», sagte er sanft. «Ah. Warum nicht.»
    Womöglich hatte ja Attila selbst ihn dazu ermuntert, mir für meine Chronik Rede und Antwort zu stehen. Ich werde es nie erfahren.
    Wir ließen uns auf Hockern im Schatten eines lang gezogenen Zeltes nieder, wo wir ungestört waren. In einem Kohlebecken brannte ein kleines Feuer unter einem Eisenblech, auf das Orestes eine Handvoll Gerstenkörner warf, um sie zu rösten.
    «Ich stamme ursprünglich aus Thessalonika», fing er an. «Du kennst die Geschichte. Du hast von dem Massaker gehört.»
    Ich nickte. Allerdings.
    «Meine Eltern –», Orestes

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