Attila - Die Welt in Flammen
junge Burgunderin erwärmten und regten sich auch meine Lenden wieder. Ich überlegte, ob sich wohl heute Nacht noch eine Gelegenheit ergeben würde …
Gleich darauf war ich mit einem Schlag allerdings stocknüchtern.
Attila war in die Mitte des Zeltes getreten. Wir unterbrachen unser Mahl, alle Gespräche verstummten. Nun würde er das Wort an uns richten; doch leider hielt er uns nicht die Rede, auf die wir gehofft hatten.
«Wir sind in Frieden und Freundschaft zusammengekommen», fing er an.
Wir klatschten Beifall, eine unaufrichtige Anbiederung sondergleichen. Dann verebbte unser Applaus.
«Doch leider hatten unsere Gäste andere Pläne. Denn heute Abend» – er nahm ein Stück Brot und brach es, wie zum ketzerischen Hohn – «soll ich verraten und an meine Feinde ausgeliefert werden. Allerdings» – er steckte sich ein Stück des Brotes in den Mund, er, der Brot sonst als Kost für Bauern verschmähte, und sprach kauend und mit vor Vergnügen glitzernden Augen weiter –, «allerdings verfüge ich, im Gegensatz zu eurem Gott Christus» – er spuckte das Brot aus – «über ein erstklassiges Netzwerk von Spionen.»
Seine Kriegsherrn, der intelligente Geukchu und der schweigsame Grieche Orestes, traten an seine Seite.
Aëtius neben mir legte sein Messer aus der Hand und sagte leise: «Was geht hier vor?»
Die Waffen der Wolfskrieger befanden sich weit weg, draußen vor dem Zelt. Im Zelt hatten Hunnen bereits ihre Schwerter gezogen.
«Das würde er nicht wagen», sagte ich.
«Oh doch, das würde er», erwiderte Aëtius ruhig. «Aber das Ganze würde ihm nicht viel nützen.» Furcht hatte er offensichtlich keine, aus seinem Blick sprach eher Neugier. Ich dagegen überlegte bereits, wie ich mich am besten unauffällig auf das Örtchen begeben könnte.
Attila schritt langsam im Zelt umher, während er mit kräftiger, gebieterischer Stimme sprach. Seine Gestalt, seine gesamte Haltung brachten absolute Macht zum Ausdruck. Bei keinem Menschen sonst habe ich je eine solche Haltung gesehen – nur noch bei Aëtius. In dieser Hinsicht ähnelten sie einander wie Brüder.
«Unsere Gäste, diese edlen Byzantiner, haben nämlich für heute Nacht meine Ermordung geplant. Als würde mein Tod allein sie retten. Ha!»
Er war der Einzige von einhundert Anwesenden in dem Zelt, der lachte, doch es war ein raues Lachen, das nichts Gutes verhieß. Alle anderen hielten den Atem an. Keiner wagte es, sich zu rühren.
«Diese meine beiden Getreuen, der edle Geukchu aus dem Volk der Hunnen und der noble Orestes, geboren in der etwas heruntergekommenen Stadt Thessalonika, aber heute einer der unseren, ein Hunne ehrenhalber – diese beiden treuen Diener, sage ich, sind mir so treu ergeben wie eh und je. In unseren Reihen gibt es keine Verräter.» Sein Lächeln und seine umherschweifenden, glühenden Augen waren furchteinflößend. «Bei ihrer Gesandtschaft in der stinkenden und verkommenen Stadt Konstantinopel jedoch, die von nur notdürftig als Männer verkleideten Weibern beherrscht wird» – hier lachten seine Krieger, ihre Anspannung löste sich spürbar –, «wurden sie in ein Mordkomplott gegen mich, ihren von Gott ernannten König, verwickelt, im Austausch für – was war es noch, mein geliebter Geukchu?» Er spielte mit uns, mit der gesamten Situation.
Auch Geukchu lächelte nun breit. «Für Gold, Großer Tanjou.»
«Ah ja, natürlich. Für Gold.» Er schritt weiter umher. «Mein geliebter Geukchu, einer meiner Auserwählten, der mir besonders nahesteht und dem ich blind vertraue, der jetzt seit beinahe zehn Jahren an meiner Seite reitet, seit dem Tag, an dem ich aus dem Exil zurückgekehrt bin, um meine mir zustehende Krone einzufordern. Mein geliebter Geukchu, der mit mir nach Osten geritten ist, wo uns unvorstellbare Entbehrungen und Schlachten erwarteten, der nicht von meiner Seite gewichen ist, mochte es stürmen oder schneien, mochten die Pfeile nur so auf uns einprasseln – dieser Geukchu, der edle Geukchu, so glaubten die Byzantiner und ihr einfältiger Kaiser Theodosius, der
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, und seine unfruchtbare Schwester, Pulcheria, könnte nach all dem gekauft und gegen mich in Stellung gebracht werden, mit … Gold.»
Seine Krieger lachten und johlten vor Vergnügen und beruhigten sich nur wieder, damit ihr unfehlbarer König fortfahren konnte. Aëtius neben mir schien wie erstarrt. Nur einmal warf er einen raschen Blick einige Liegen weiter, zu Chrysaphius und Vigilas. Auch sie
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