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Attila - Die Welt in Flammen

Attila - Die Welt in Flammen

Titel: Attila - Die Welt in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Napier
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klarer wurde auch die entsetzliche Gewissheit, dass dieser Sturm kein Ende nehmen würde. War Konstantinopel erst eingenommen, würden die Hunnen den Bosporus überqueren und sich den Rest der Welt unterwerfen.
    Die Byzantiner malten sich Bilder aus von Hunnen, die auf ihren derben Ponys direkt in die Geburtskirche in Bethlehem oder die Grabeskirche in Jerusalem ritten und den Kalvarienberg und den Ort der Erlösung der Menschheit zerstörten. Hunnen, die die Wüste im Osten durchquerten und Damaskus belagerten, die über den Sinai schritten und die reichen Getreidefelder Ägyptens zertrampelten, die Alexandria anzündeten und verheerten, barbarische Steppenbewohner inmitten der uralten Tempel und Paläste des ehrwürdigen Königreiches. Hunnen, die durch Nordafrika ritten, vorbei an den brennenden Überresten von Kyrene und Leptis Magna, weiter nach Karthago, wo sie auf ihre Alliierten stoßen würden, auf die Vandalen unter Geiserich. Die Zerstörung, die sie anrichten würden, kannte keine Grenzen.
    Die Stadt Konstantinopel durfte nicht fallen – selbst wenn die Schwesterstadt Rom ihr nicht beistand.
    * * *
    Ich, Priscus von Panium, habe das Zerstörungswerk der Hunnen mit eigenen Augen gesehen, aber auch andere Chroniken gelesen. Callinicus berichtet uns: «Mehr als einhundert Städte wurden eingenommen. Es gab so viele Morde und blutrünstige Verbrechen, dass die Toten nicht mehr gezählt werden konnten. Sie fielen auch in Kirchen und Klöstern ein und schlachteten die Mönche und Nonnen in großer Zahl.» Als Folge dieses gottlosen Frevels entstand der Mythos von den schrecklichen Hunnen. Wie Attila festgestellt hatte, ist der Schrecken eine ausgezeichnete Waffe, und noch dazu sehr billig zu haben. Panik ist schneller als jedes Pferd.
    Der andere edle Chronist, Graf Marcellinus, schrieb schlicht über dieses Jahr der Katastrophe: «Attila zerrieb beinahe ganz Europa zu Staub.»
    Eine einzige kleine Stadt gab es allerdings, die damals nicht fiel. Die Tragödie machte um sie einen Bogen, die Geschichte ging an ihr vorüber. Sie blieb bescheiden und unbemerkt, eine gewöhnliche, gar nicht heldenhafte kleine Stadt. Ich spreche von Panium, einer Stadt inmitten einer grünen Hügellandschaft, Baldrian und Mauerpfeffer wachsen in den Ritzen seiner alten goldenen Kalksteinmauern, über die der Kirchturm wacht. So dämmerte sie schon seit vielen Jahrhunderten vor sich hin, und so wird es wohl auch noch lange bleiben. Die Bewohner der Stadt sind friedlich, niemand kennt sie, die Glöckchen der Ziegen läuten in den Olivenhainen, Zikaden schnarren im sonnenverbrannten Gras. Am Abend versammeln sich die alten Männer im Hof beim Brunnen, plaudern und trinken den dünnen Rotwein der Gegend. Nur ein schlichter grüner Hügel, eine kleine Stadt für Hirten und Bauern, mit einem einzigen Priester, der kaum lesen kann. Nein, die große Geschichte kam nie in Panium vorbei, und so ist es bis heute. Panium hat keine Taten zu bieten, aber es hat auch keine Narben.
    * * *
    Aëtius wagte es, auf direktem Weg in die Hauptstadt zurückzureiten. Die Hunnen hefteten sich keineswegs an seine Fersen, weit und breit war nichts von ihnen zu sehen. Sie warteten, lauerten, schlachteten einstweilen alles und jeden ab und isolierten Konstantinopel immer mehr. Seine Provinzen wurden wie Gliedmaßen abgetrennt und ins Feuer geworfen.
Wie liegt die Stadt so wüst …
Aëtius ritt an der Spitze der Kolonne, mit undurchdringlicher, ausdrucksloser Miene, einsamer denn je. Aber Athenais verzehrte sich danach, ihn sprechen zu können.
    Dieses Warten, diese Qual war direkt auf ihn gemünzt, das wusste er. Attilas Spiele, seine komplizierten Wutausbrüche und Hassanfälle. Er isoliert mich, spart mich bis zum Schluss auf, so empfand er es. Als hätte ich ihn irgendwie betrogen, als wäre das die schlimmste Enttäuschung und verdiente deshalb die Höchststrafe.
    Als sie an den vereinzelten und verlassenen Gehöften vorbei über die Ebene ritten und endlich die mit Ziegelbändern versehene Theodosianische Mauer und die Kuppeln und Kirchtürme dahinter sahen, hatten sie das Gefühl, ein schreckliches Gericht erwarte sie: als beträten sie eine Bühne, einen historischen Schauplatz, mit ihnen als Schauspielern, deren Rede und Schicksal vorbestimmt war. Sie kamen an Obstgärten mit überreifen Früchten vorbei, die ungeerntet vom Baum fielen, an verlassenen Klöstern, am Hügel von Maltepe und dem flachen Tal des Lykus. Und an der Kirche des Theotokos,

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