Attila - Die Welt in Flammen
Weise aus dem Morgenland beschrieben hatten, nicht wahr? Und war der Sohn einer Jungfrau! So will es die alte jüdische Prophezeiung!»
«Auf der einen Seite ist da die Religion, auf der anderen der Aberglaube. Bringt die beiden nicht durcheinander. ‹An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen.›»
Gamaliel zog die buschigen Augenbrauen in die Höhe. Dann schlug er einen anderen Kurs ein. «Dieser Attila, das ist doch ein abergläubischer Mann, nicht wahr?»
Aëtius zögerte. «Er hat Schamanen und Hexen um sich, das stimmt, obwohl er so tut, als würde er sich über sie lustig machen.»
«Du weißt, dass er gläubig ist. Und auch seine Leute sind es, sie glauben an ihn, glauben, dass er der Sohn des Astur, des allmächtigen Vatergottes, ist und vom blutrünstigen Geist Sawaschs, ihres Kriegsgottes, beherrscht wird. Dies ist nicht nur ein Kampf zwischen Armeen, sondern auch zwischen dem, woran Menschen glauben.»
Der Schein von Fackeln flackerte über der Ebene. Aëtius ging auf die Zinnen zu, um die Wolfskrieger aufzufordern, sich bereitzuhalten.
«Gedenke dieser Verse!», rief Gamaliel ihm hinterher. «
Viere kämpfen um das Weltenende, Einer mit dem Reich, Ein andrer mit dem Schwert, Retten zwei sich, folgt die Wende, Mit einem Wort, mit einem Sohn, So will es die Legende.»
Und dann ist da ja die Prophezeiung eines schrecklichen Herrschers aus dem Osten –»
«Verbarrikadiert die Haupttore!», brüllte Aëtius.
«Herr!», rief einer der Männer zu ihm hinauf. Es war der Zenturio Tatullus. «Hört Euch das an!»
Da war ein gedämpftes Geräusch, eine Art Getrappel, und dann hörte Aëtius es: das Blöken von Schafen.
Schon immer hatte Attila die Tapferen und Kriegslüsternen bewundert. Die Männer von Azimuntium hatten gesiegt.
* * *
Nachdem ihnen die Herden und dazu auch die Hirten wieder zurückgegeben worden waren, befahl Aëtius, Chanat aus dem Verlies heraufzubringen.
Der alte Krieger sah ihn mit funkelnden Augen an. «Ein Pferd!»
«Ihr Hunnen habt ausreichend Pferde. Du kannst zu Fuß ins Lager zurückkehren.»
«Nur Sklaven gehen zu Fuß», murrte Chanat.
Aëtius wandte sich an die Frau. «Und was ist mit dir? Wirst du zu deinem rechtmäßigen christlichen Ehemann zurückkehren, oder folgst du lieber diesem alternden Barbaren?»
Die Frau schenkte Chanat einen Blick, der alles verriet. Chanat grinste. «Ich nehme die Frau anstatt des Pferdes. Sie ist langsam, aber bequem für mich.» Beschämt senkte die Frau den Kopf, blieb aber an seiner Seite.
Aëtius seufzte und wandte sich ab. «Öffnet das hintere Tor!»
«Ihr habt keine Manieren, Römer, seid keine guten Gastgeber», sagte Chanat im Gehen.
«Du warst kein Gast, sondern ein Gefangener.»
«Aber ich glaube, wir werden uns wieder begegnen. Vielleicht auf einem taghell erleuchteten blutigen Schlachtfeld, und es wird für uns beide ein ruhmreicher Tod sein. Doch du solltest jetzt rasch losreiten. Der Schatten Attilas folgt euch über die Erde, und auch wir reiten nach Süden. Nächstes Mal, wenn wir uns treffen, wird König Attila nicht mehr so freundlich zu euch sein!»
Nachdem sich das Tor hinter den beiden geschlossen hatte, wandte sich Aëtius an seine Wolfskrieger: «Sattelt auf. Sofort!»
* * *
Er bestand darauf, dass die Kaiserin in einem Wagen reiste, doch sie wusste nur zu gut, welche Bedrohung über ihnen schwebte, und dass die Zeit gegen sie arbeitete; nicht nur gegen sie als Gruppe, sondern gegen ganz Konstantinopel. Also ritt sie auf einem Pferd, klammerte sich an die Zügel, blass und stumm. Ariobarzanes kam an das Tor, um sich von ihnen zu verabschieden. Er war von grimmiger Freude darüber erfüllt, dass die Schafe und Rinder wieder da waren, und schwor, zusammen mit den Männern von Azimuntium die Hunnen zu vernichten, wenn sie jemals wieder in dieser Gegend auftauchen sollten. Schließlich kam auch noch der jüdische Heiler oder was auch immer er sein mochte, auf ihn zu. Aëtius bat ihn, mit ihnen zu reiten, doch er erwiderte, er müsse einen anderen Pfad einschlagen. Er hielt einen Haufen alter Schriftrollen im Arm, die er aus der Synagoge geholt hatte, weil er befürchtete, sie könnten den Hunnen in die Hände fallen, wenn sie ihre Lagerfeuer anzünden wollten. Als könnte ein einzelner Mann alle Schriftrollen der alten Welt im Arm halten und sie vor dem großen Brand, der da kommen würde, schützen.
Aëtius hatte andere Probleme zu lösen. Er musste sich um die Vorräte kümmern, musste ein halblahmes
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