Attila - Die Welt in Flammen
Wachdienst entbunden werden, um auf den Mauern zu kämpfen. Er sandte eine Eilbotschaft zum Palast.
Unmittelbar darauf stand ein weiterer Bote vor ihm, mit weißem, angespanntem Gesicht. Er gehörte zur Dienerschaft des Palastes.
«Habe ich die Ehre, mit Generalmajor Aëtius zu sprechen?»
«Ja, das bin ich. Sprich!»
«Werter Herr, es wurden Schiffe auf dem Weg nach Osten gesichtet, sie fuhren am Hellespont vorbei und kommen hierher. Eine kleine Flotte, unterwegs nach Chalcedon, hat ihre Segel am Propontis gesehen und ist mutig umgekehrt, um uns zu warnen.»
Aëtius wurde bleich. «Schiffe? Wie viele?»
«Es heißt … es heißt … eine Flotte, Herr. Eine große Zahl, es wurde nicht genau gezählt.»
«Halt, halt», unterbrach Theoderich, der ganz fassungslos wirkte, «die Hunnen haben vielleicht bei der Belagerung von Städten dazugelernt – in der Seefahrt sind sie bislang nicht in Erscheinung getreten. Unmöglich!»
Aëtius wandte sich so heftig zu ihm um, dass der Prinz beinahe zu zittern begonnen hätte. «Wann wird Eure Schwester – wie hieß sie doch gleich?»
«Amalasuntha.»
«Wann wird das arme Ding mit dem Sohn Geiserichs verheiratet?»
«Ich … ich weiß es nicht, Herr. Ich … Sie ist bereits mit ihm verlobt.»
Das arme Mädchen. Ein Kind, ein leichtfüßiges, lachendes Kind, als er sie zum letzten Mal am Hofe König Theoderichs in Tolosa gesehen hatte. Wie sie ihre dünnen Ärmchen um das struppige alte Haupt ihres Vaters geschlungen hatte. Nun war sie nur noch ein Pfand in diesem entsetzlichen Schachspiel, das sich zu einem Krieg um die Weltherrschaft entwickelte.
«Möge Gott verhindern, dass sie schon nach Karthago gesandt wurde.»
«Aber die Vandalen sind unsere Verbündeten! Sie haben alte teutonische Eide geschworen, dass sie uns …»
«Zu spät, Junge. Das sind Vandalenschiffe, die den Propontis überqueren, um zu uns zu gelangen. Das sind Attilas Verbündete. Wir sind jetzt im Krieg, Geiserich und wir, und dein Vater wird sich bald entscheiden müssen, auf wessen Seite er steht. Vom Meer her werden wir jedenfalls keine Vorräte oder Verstärkung bekommen.» Er wendete sich an den Boten und skizzierte ihm für den Kaiser mit groben Worten die Situation, ohne die düstersten Details auszusparen.
«Was ist mit der byzantinischen Flotte?», fragte Thorismund.
«Wir haben keine Männer. Es gibt keine Seeleute mehr. Sie fielen mit der Feldarmee am Utus. Ich habe befohlen, die Schiffe eilends herbringen zu lassen, um damit das Goldene Horn zu verbarrikadieren.»
Theoderich bekreuzigte sich. «Wenn es wahr ist, dass die Vandalen sich mit den Hunnen verbündet haben …»
«Es ist wahr.»
«Dann wird mein Vater Blut mit Blut vergelten.»
«Ich hoffe, es wird so sein», erwiderte Aëtius. «Ich sagte es bereits: Eure Leute sind möglicherweise Roms letzte Hoffnung.»
Der Bote kehrte nur wenige Minuten später atemlos aus dem Kaiserpalast zurück. Die Kaiserliche Wache war zum Wachdienst an die Mauern entsandt worden, und der göttliche Kaiser Theodosius hatte sich in seine Privatkapelle zurückgezogen, um die Messe zu hören und zu beten. Er wünsche keine weiteren Nachrichten von Heermeister Aëtius zu hören, lasse er ausrichten, es sei denn die Siegesnachricht. Bis dahin solle er auf Gott und seine Heilige Mutter vertrauen.
* * *
Tatullus brachte zwei Männer zu ihnen, die sehr unterschiedlich aussahen. Der eine war ganz eindeutig der Anführer der Wache, zweifellos der Erstgeborene einer der edelsten und adeligsten Familien Konstantinopels: ein hoch gewachsener, gut aussehender, leicht überheblicher Kerl mit dunkel schimmerndem schwarzem Brustpanzer. Er trug seinen Helm mit dem dunklen Federbusch unter dem linken Arm und salutierte schneidig. Bestimmt gierte er nach Ruhm und Ehre in der Schlacht und langweilte sich, da er zum persönlichen Schutz des Kaisers abgestellt war, in der Kaserne der Stadt zu Tode. Nun witterte er seine Chance.
«Hauptmann Andronicus, Herr. Oberbefehlshaber der Kaiserlichen Wache.»
«Sind Eure Männer kampfbereit?»
«Oh ja, das sind sie!»
«Wie gut seid Ihr im Kopfrechnen?»
«Im Kopfrechnen, Herr?»
«Ihr habt recht gehört. Die Theodosianische Mauer ist ungefähr drei Meilen lang und erstreckt sich vom Goldenen Horn zum Marmarameer. Ihr habt einhundert eigene Männer, dazu achtzig Hilfskräfte.»
«Und eine Kolonne gotischer Reiter, nicht wahr?»
«Das ist meine persönliche Truppe. Es wird dir nicht schwer fallen, deine
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