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Attila - Die Welt in Flammen

Attila - Die Welt in Flammen

Titel: Attila - Die Welt in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Napier
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weitere Fehlalarm werde mit Geißelung geahndet.
    Es sprach sich auch herum, dass ein Knabe eine Vision von der Jungfrau Maria auf einer der Mauern hatte. Sie trug ein flammendes Schwert und war bereit, gemeinsam mit ihrem geliebten, gläubigen Volk für das heilige Byzantium zu streiten.
    «Das kommt wahrscheinlich nur von schlechtem Wein», sagte Tatullus ungerührt, den Blick fest ins Halbdunkel vor ihm gerichtet.
    «Im Gegenteil», entgegnete Aëtius. «Ein Wunder!» Er wies den Boten an, die Nachricht weiterzugeben.
    «Herr?»
    «Erzähl es weiter, verdammt noch mal! Die Jungfrau Maria wurde auf den Stadtmauern gesichtet. Geht mit dem Burschen herum, gebt ihm Wein, damit sich seine Zunge löse, bringt ihn dazu, noch mehr Visionen zu erfinden! Sucht nach anderen, die seine Geschichte bestätigen! Los jetzt!»
    Tatullus grinste in der Dunkelheit. Der Heermeister verwandelte alles in eine gegen den Feind gerichtete Waffe, sogar die Täuschung von Gläubigen. Dann runzelte er die Stirn. Die Krähen kamen aus dem Zwielicht zurück und kreisten am Himmel, als wären sie unfähig, sich in ihren Baumkronen niederzulassen.
    Aëtius trat zu ihm. «Sie haben sich von der allgemeinen Panik in der Stadt anstecken lassen», sagte er.
    «In der Straße dort unten», sagte eine Stimme in der Nähe, es war Arapovian, der, wie es seine Gewohnheit war, nicht um Erlaubnis gebeten hatte, sprechen zu dürfen, «habe ich eine Katze gesehen, die sich zum Schlafen zusammenrollte. Plötzlich sprang sie wieder auf, mit ausgestrecktem Schwanz. Außerdem …» Er zögerte. Er wagte es nicht, derart schlimme Nachrichten zu überbringen. Bereits einmal hatte er miterlebt, wie eine Stadt an die Hunnen fiel, und war verzweifelt in den Ruinen gestanden. Noch einmal wollte er das nicht erleben. Nicht auch noch diese Stadt.
    «Nun rede schon!»
    «Heute Nachmittag sah ich, wie sich das Wasser in meinem Becher kräuselte, als ich ihn auf die Mauer stellte.»
    Tatullus erstarrte. Die Krähen kreisten und krächzten dabei laut. Aëtius flüsterte: «Oh nein. Nicht das auch noch!»
    «Ich kenne die Anzeichen, sie kommen in meinem Land häufig vor. Die Katze, das sich kräuselnde Wasser, die Krähen …»
    «Nein.» Aëtius legte die Hände flach auf die Zinnen. Plötzlich waren diese mächtigen Mauern scheinbar aus feiner Gaze.
    Arapovian nickte grimmig. «Es kommt ein Erdbeben.»

17. DIE MAUERN
    I n der Nacht begann es zu regnen. Statt zu schlafen, mussten sie im Windschatten der Mauern notdürftig Unterschlupf suchen. Wenn Arapovian recht hatte, hätten sie auf dem offenen Forum Schutz suchen müssen. Oder, Ironie des Schicksals, außerhalb der Stadtmauern, auf den Freiflächen vor der Stadt. Dort wären sie zwar vor dem Erdbeben geschützt gewesen, hätten sich aber dafür von den Hunnen verschlingen lassen dürfen. Zur Hölle mit allem, mit den Krähen, mit der unruhigen Katze!
    Aëtius schlief schlecht. Albtraumartige Bilder ließen ihn kurz und unruhig atmen, während er allein an einem verlassenen sandigen Ufer entlangging. Zu seiner Linken kreuzte ein riesiger Haifisch in den Wellen, und in den hohen Dünen zur Rechten kam ein Löwe mit gelb blitzenden Augen auf ihn zu. Wenn er im hüfthohen Wasser weiterwatete, konnten ihm weder der Löwe noch der Hai etwas anhaben. Doch sie folgten ihm zu beiden Seiten, tödliche Gefährten, die wussten, dass er früher oder später müde würde. Aëtius schreckte aus dem Schlaf hoch, er brauchte keinen Seher, um den Traum zu deuten.
    Ein einäugiger Geschichtenerzähler trat aus dem Dunkel hervor, barhäuptig, mit flach gepressten Haaren, sein eines Auge blutunterlaufen und glänzend.
    «Bitte keine Verrückten mehr, die irgendwelchen Irrsinn erzählen», sagte Malchus.
    Der Geschichtenerzähler wollte ihnen mitteilen, dass die sieben Schläfer von Ephesus erwacht seien. Tatsächlich sei das Ende nun nahe.
    Mit matter Stimme forderten sie ihn auf, sich zu erklären. Er hockte sich im prasselnden Regen nieder und berichtete. Vor vielen Generationen, als Kaiser Decius die Christen verfolgte, zogen sich sieben junge Edelmänner aus Ephesus in eine Höhle in den nahe gelegenen Bergen zurück. Decius ließ die Höhle versiegeln, um die Männer ihrem grausamen Schicksal zu überlassen. Dort aber schliefen sie unbehelligt unter dem Schutz Gottes, einhundertsiebenundachtzig Jahre lang. Dann kamen die Sklaven eines gewissen Adolius, des Besitzers der Höhle, um die Steine beim Bau eines Gebäudes zu verwenden.

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