Attila - Die Welt in Flammen
der Mauern beim Blachernae-Palast wieder nach oben. Wie blutbesudelte Maulwürfe aus dem Hades kletterten sie heraus, nach frischer Luft und Sonnenlicht lechzend, halb erstickt, doch mit stolzgeschwellter Brust.
Dass die Hunnen erneut versuchen würden, einen Tunnel zu graben, war unwahrscheinlich. Es hätte sie zu viel Mühe gekostet, der Preis wäre zu hoch gewesen.
«Tag und Nacht stehen die Pforten der Hölle offen», brummte Zeno zufrieden. «Aber nein, nun sind sie einstweilen geschlossen.»
Doch Zeit zum Ausruhen blieb keine.
«Zu den Mauern», erscholl ein verzweifelter Ruf. «Bis auf den letzten Mann!»
* * *
Aëtius gab Andronicus ein Zeichen, seine Wachen am St.-Romanus-Tor zu postieren und die Männer eine Phalanx aus Speeren bilden zu lassen. Sie sollten den Rammbock unten am Tor ignorieren, ebenso den Belagerungsturm dahinter. Sollten die Tatsache ignorieren, dass sie in der Unterzahl waren, umzingelt, besiegt. Niemals zugeben, dass man unterlegen war! Mochten die Hunnen doch an ihren verdammten Netzen heraufklettern und sich auf den Zinnen tummeln. Sie würden es mit ihnen aufnehmen.
Aëtius selbst beorderte die Wolfskrieger zurück zum Militärtor V. Sie standen mit gesenkten Speeren da und warteten. Zumindest schwiegen die Katapulte der Hunnen seit einiger Zeit, da nun auch die eigenen Männer getroffen zu werden drohten.
Zwischen den Toren zu beiden Seiten des Lykus hingen mittlerweile Netze, und der Brückenkopf der Hunnen wurde stabiler. Es waren mittlerweile drei- oder vierhundert von ihnen, theoretisch befanden sie sich bereits innerhalb der Stadt, sie waren aber bislang ohne Zugang tiefer in die Stadt hinein. Aëtius sah die entsetzten Gesichter der Kaiserlichen Wache, die zu ihm herüberschauten. Was tat er da bloß?
Er wartete ab.
Theodorich neben ihm wartete ebenfalls, mit gezücktem Langschwert.
«Damit wirst du zustoßen.»
«Gewiss», sagte der Prinz mit düsterer Miene. «Bloßes Drohen ist fehl am Platz.»
«Genau.» Er rief zur Wache hinüber: «Haltet still!»
«Du willst die Hunnen auf einem Haufen vor dir haben», murmelte Theodorich.
«Erraten.»
Die lähmende Starre hielt noch eine Weile an; die Hunnen an vorderster Front konnten kaum glauben, dass sie einen ganzen Mauerstreifen hatten entern können, hinter ihnen drängten immer mehr Kameraden ungehindert nach. Zu ihrer Rechten stieß ein Rammbock gegen splitterndes Holz, und auch die Plattform der Türme würde bald von den Kameraden aus dem immer näher rückenden Belagerungsturm besetzt sein. Die Stadt war so gut wie eingenommen.
Dann hörten sie den grimmig dreinblickenden römischen General brüllen: «Los!»
Hinter der Kaiserlichen Garde, die sich drohend vor den Linien aufbaute, war ein knackendes Geräusch zu vernehmen, dann das Quietschen einer Kurbel. Andronicus rief seinen Männern zu, sich zu wappnen. Sie hatten ihre Anweisungen: dem Feind die Stirn zu bieten.
Es war Tatullus, der beim Rückzugsgefecht das Kommando hatte, zusammen mit seinen alten Kameraden von dem lächerlichen Rest, der von der VII . Legion noch übrig war. Faustriemen, Arapovian und Malchus, außerdem einige der zäheren Burschen der Bürgerwehr, darunter ein Schmied, der noch die Schürze umgebunden hatte und den Hammer als Waffe schwang.
Der Belagerungsturm der Hunnen verfügte über eine Zugbrücke, die sich gleich auf die Zinnen herabsenken würde, damit eine Horde wilder Krieger mit plumpen runden Schilden und kurzen geschwungenen Schwertern auf die Plattform des Torturms klettern konnte. Von hier aus würden sie die Mauern und, was schlimmer war, die Treppen nach unten kontrollieren. Ganz entbrannt vor Mordlust und Träumen von byzantinischem Gold, würden sie wohl kaum ihre Position aufgeben, wenn sie sie erst einmal erobert hatten.
Tatullus sah dem näher rückenden Belagerungsturm entgegen, sein Messer in Hüfthöhe. Er brüllte um Verstärkung. Die Artillerienovizen hatten den Turm zu früh verlassen. Und bald würde es hier verdammt blutig zugehen!
Der Urimpuls blanker Furcht hatte die kriegsscheuen Artillerietechniker jedoch endlich wachgerüttelt. Sie legten nun eine erstaunliche Geschicklichkeit an den Tag und richteten innerhalb weniger Sekunden ihre Maschinen oben auf den Belagerungsturm aus, der nur noch etwa drei Meter weit von der Mauer entfernt war, und feuerten los. Dicht nacheinander schossen flache, tödliche Metallbolzen aus jeder zitternden Maschine mit einer Geschwindigkeit von mehr als fünfzehn
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