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Attila - Die Welt in Flammen

Attila - Die Welt in Flammen

Titel: Attila - Die Welt in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Napier
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Tage später gestorben war.
    Verzweiflung und Wut wetteiferten in seiner Brust. Eines Tages stieß er in einem verlassenen Vestibül auf ein großes Wandgemälde, auf dem die skythischen Könige dargestellt waren, die vor einem Zug römischer Könige ehrerbietig niederknieten. Brüllend befahl Attila, das Gemälde so zu übermalen, dass er auf dem Thron dargestellt war und die römischen Könige vor ihm knieten. Aus keinem ersichtlichen Grund ließ er danach die entsetzten Wandmaler hinrichten.
    Bei anderen Gelegenheiten erging er sich lang und breit über seine grandiosen Pläne, während seine kleine Streitmacht außerhalb der Stadtmauern von Tag zu Tag kleiner wurde. Bald würde er Rom einnehmen, und dann Konstantinopel – das würde sein permanenter Standort werden. Von dort aus wollte er das schwankende Reich der Sassaniden erobern, dann Indien und schließlich die Große Mauer. Sie würden China zerstören – den größten, ältesten Feind von allen …
    Dann war er der Herrscher der Erde.
    * * *
    Seine Männer fühlten sich orientierungslos und im Stich gelassen, während sie in der Umgebung plünderten. Orestes blieb bei ihm, und auch die Hexe Enkhtuya sowie als unzuverlässiger Trabant, der täglich kam und ging wie der Tau, der Schamane Kleiner Vogel.
    «Ein König hatte einst ein mächtiges Reich», sagte Kleiner Vogel, «doch wogegen tauschte er es ein? Für ein größeres Reich.»
    Attila runzelte die Stirn.
    Der Schamane lachte. «Das grenzenlose, unendliche Reich des Nichts.» Er wagte es, seine Hand auf Attilas graues Haupt zu legen. «Oh kleiner Vater von Allem und Nichts!»
    «Schweig, du Narr, oder ich schneide dir die Zunge heraus!»
    «Nur zu, Herr. Alles andere hast du deinem Volk ja bereits genommen.»
    Ein wilder Hieb, ein Tritt auf seinen Knöchel, ein Aufschrei, und schon humpelte der kleine Schamane aus dem Palast.
    Eine seltsame gefiederte Kreatur saß auf einem steinernen Löwen auf dem Forum in Mediolanum und sang den erschrockenen Menschen etwas vor:
     
    Als einsam wir wanderten
    Durch sturmumtoste leere Steppe,
    Da dachten wir: das muss von ew’ger Dauer sein.
     
    Wir sahen den weißen Mann, das Haupt tief geneigt
    Mit seinen Schwertern und Speeren und seinem Gold,
    Seinen Städten, seinen Straßen, seinen Palästen, hoch umwölkt.
     
    Und mit des Volkes Land
    Und mit des verschwund’nen Löwen Haut
    Jagte er ins Nichts, der Lyb’sche Löwe.
    Da dachten wir: Dies währt nicht lang, dies wird ein Ende finden.
     
    Zum zweiten Male, oh mein Volk, täuschten wir uns schon.
     
    Er warf die Arme in die Höhe und lachte. Das Volk von Mediolanum hastete davon.
    Eines Tages betrat Kleiner Vogel auf Zehenspitzen den Palast und fand seinen Herrn auf einem der kaiserlichen Throne in dem riesigen Audienzsaal vor. Er sprach zu sich selbst, seine Augen wanderten über die freskengeschmückten Wände und die Decke, ohne etwas zu sehen. Kleiner Vogel hätte weinen mögen, doch stattdessen setzte er sich vor den Großen Tanjou und wartete. Attila starrte ihn an. Auf dem Grunde seines Wahnsinns lauerte Verzweiflung, so wie vielleicht auf dem Grunde der Vernunft die Hoffnung keimt.
    Plötzlich stand der König auf und breitete weit die Arme aus. «Sei still und höre mich an, oh mein Volk!»
    Kleiner Vogel saß mit überkreuzten Beinen und weit aufgerissenen Augen da, ein Kind in seinem siebten Lebensjahrzehnt.
    Es gab eine lange Stille. Attila stand den Kopf auf die Brust gesenkt da. Dann sagte er so leise, dass Kleiner Vogel es kaum verstand: «Er ist sehr erzürnt mit uns, er hat uns verworfen, wir sind verschmäht und verachtet. Es steht in den Büchern der Christen – ich kannte sie als kleiner Junge. Lange römische Winternachmittage mit dem Lehrer, einer Geisel, während die kalte Sonne zwischen den Gitterstäben versank. Wir sind das Volk von Gog und Magog. Ich verachtete die Gebeine und Gewänder der Geistlichen und ihre verehrungswürdigen Überreste in den Kirchen, diesen Beinhäusern, die Prophezeiungen in ihren heiligen Büchern, doch jetzt kehren sie zurück und verfolgen mich im Alter. Jetzt gehe ich mit stockendem Schritt selbst ins Totenhaus ein und lasse mein von ihrem Gott verlassenes Volk zurück.»
    «Oh mein verrückter Herrscher, das dürft Ihr nicht sagen.»
    «Wir werden hinweggeblasen werden, wie es in dem alten Lied heißt: ‹wie der Wind, wie der Wind›. Und von dem großen Hunnenvolk wird in späteren Jahren nichts übrig bleiben, so, als hätte es uns nie

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