Attila - Die Welt in Flammen
ihren Ponys hier nicht weiterkamen, sprangen aus den Sätteln und rannten stattdessen auf den Kranz gesenkter Spieße zu, in der Absicht offenbar, hindurchzuschlüpfen und sich mit ihren Messern auf die Verteidiger zu stürzen. Sofort wurden die Schilde zusammengerückt, bis zwischen ihnen nur noch Platz für die Spieße war. Tatullus, der vor seinen Männern stand, unerschütterlich wie ein Fels in der Brandung, ließ seine Hellebarde blitzschnell zur Seite sausen und schlitzte einem Hunnen den Bauch auf, der mit herausquellenden Eingeweiden zusammenbrach. Zwei seiner Kameraden sprangen erschrocken zurück, wobei der eine nur knapp einem tödlichen Hieb der Hellebarde entging.
Im Schatten des Wachturms stand ein kräftiger Hüne mit einer Keule: Faustriemen. Er hatte sie bereits so fleißig geschwungen, dass das Ende mit grauer Hirnmasse verschmiert war.
«Lasst sie nicht durchbrechen!», brüllte Tatullus seinen Männern erneut zu, während er mit ihnen Schritt für Schritt zurückwich. Ihr Halbkreis lichtete sich zusehends. Er betete und hoffte, dass oben auf der Mauer noch Armbrustschützen übrig waren. Ohne eine wirksame Salve von ihnen wären sie verloren.
Auf einmal ließen sich die Hunnen zurückfallen, und gleich darauf kamen in hohem Bogen Pfeile durch die Luft geschwirrt und regneten auf die Soldaten herab. Schilde wurden in die Höhe gerissen, manche jedoch nicht mehr rechtzeitig, und so zischten Pfeile ungehindert auf Köpfe und Schultern herab. Männer brüllten vor Schmerz, taumelten zurück, stürzten zu Boden, und die Formation löste sich weiter auf.
Doch die Überlebenden hielten stand. Noch während sie rückwärts über ihre gefallenen Kameraden hinwegstiegen, senkten sie, inzwischen unter dem hohen Torbogen angelangt, erneut die Spieße und rückten ihre Schilde zusammen. Ihre Disziplin war vorbildlich. Ein Hunne, der seinem Pferd listig die Augen verbunden hatte, kam mit wütendem Geheul auf sie zugeprescht, scheiterte jedoch an der Mauer aus Schilden und wurde sogleich von Spießen durchbohrt.
Die übrigen hunnischen Angreifer wimmelten ratlos vor dem offenen Tor herum, saßen unschlüssig von ihren Pferden ab und gleich wieder auf, lieferten sich sogar wilde Wortgefechte. Es war, als könnten sie einfach nicht fassen, dass diese kleine Schar staubbedeckter, zäh entschlossener Männer nach diesem Tag erbarmungsloser Zermürbung noch immer in der Lage war, sie, die sie doch in vieltausendfacher Überzahl waren, am Durchbruch zu hindern. Fürwahr, diese Römer waren keine Memmen.
Sabinus stand, leise schwankend, oben auf der Südmauer und zog dort alle verbliebenen Armbrustschützen zusammen. Auch ihre vermeintlich unerschöpflichen Vorräte an Bolzen gingen nun langsam zur Neige. Dieser Ansturm übertraf wirklich alles, womit sie je gerechnet hatten. In der Ferne war eine raue, grelle Stimme zu hören, die zu den Reiterscharen sprach, der unerbittliche hunnische Kriegsherr vermutlich, der seine Krieger anstachelte und dazu antrieb, der Sache jetzt ein Ende zu bereiten. Sabinus schnaubte. Sollten sie’s nur versuchen.
Er hob die Hand. Seine wenigen Armbrustschützen traten an die Zinnen vor. Er senkte die Hand, und eine letzte, erbarmungslose Salve eisenverstärkter Bolzen schnellte los und in die vorderen Reihen der ratlos herumstehenden Hunnen. Darauf hatte Tatullus gewartet: Er fuhr herum, scheuchte seine Leute in die Festung, und dann wurden die Torflügel zugeschlagen. Noch während die Pförtner den ersten schweren Querbalken aus Eiche vorlegten, krachte von außen ein massiges Gewicht gegen das Tor. Die Soldaten ließen Spieße und Schilde fallen und warfen sich gegen die Torflügel.
«Los, den zweiten Balken vorlegen. Beeilung!» Tatullus brauchte nicht zu schreien, sie verstanden ihn auch so.
Von der Mauer wurde eine zweite Bolzensalve abgefeuert. Ungeachtet der vielen toten Hunnen, die sich mittlerweile vor dem Tor türmten, donnerte es von außen ein weiteres Mal gegen das Holz, ehe der zweite, höhere Querbalken vorgelegt wurde. Damit war das Tor sicher und felsenfest verrammelt, und der Anprall der Hunnen verebbte wie eine Welle am Fuß einer Klippe.
Mit zittrigen, brennenden Armen ließen die Armbrustschützen ihre Waffen sinken und neigten die Köpfe. Schweiß rann ihnen über die schmutzigen Gesichter. Nicht einer hatte noch die Kraft, ihn abzuwischen.
Sabinus wandte sich von ihnen ab, um nicht von Rührung übermannt zu werden. «Gut gemacht, Männer», sagte er
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