Attila - Die Welt in Flammen
Himmelfahrtskommando vor. Bloß nie die Hoffnung aufgeben. Opfere dich für die anderen.
Die Onager, immer noch an die hundert Meter entfernt, waren dicht umstellt von hunnischen Reitern mit schussbereit eingenockten Pfeilen. Mit einer letzten Aufwallung von Zorn hieb er seinem Pferd die Sporen in die Seite. Verrückt. Um diese Ungetüme auszuschalten, sie dauerhaft zu beschädigen, wäre eine ganze Schar von Männern erforderlich, und etwas Zeit obendrein. Was sollte er, ein blutüberströmter Narr, der sein Schwert in der Luft schwang, alleine schon ausrichten? Bei seiner einsamen Attacke, verlassen von seinen Männern, die verwundet hinter ihm her trotteten oder tot waren, hatte er auf einmal den Eindruck, dass die Hunnen ihm gespannt entgegenblickten, voll aufrichtiger Neugier, wie weit sein Kämpfermut wohl ausreichen würde. Wie würde er sterben? Am Ende doch wie ein richtiger Mann?
Andronicus galoppierte trotzig weiter, den zitternden Arm mit seinem Schwert weit vorgestreckt, direkt in die blendende Sonne hinein. Wenn es stimmt, was über das Sterben erzählt wird, sah er vor seinem Tod seine Angehörigen vor sich, die ihn mit ausgebreiteten Armen erwarteten, und nicht das grelle, schmerzhafte Brennen der Sonne.
Die Hunnen waren sich einig, dass er tapfer gestorben war, dieser Anführer der eisernen Reiter. Später am Abend würden sie ihn, ohne seine Rüstung, zusammen mit ihren eigenen Toten auf einen großen Scheiterhaufen betten und in sein Jenseits schicken, das unter der Obhut seiner Götter stand, von denen sie nicht einmal wussten, wie sie hießen.
Fernab von diesem Geschehen war es einem römischen Lanzenreiter als Einzigem gelungen, dem Signal zum Rückzug Folge zu leisten und dem Kreis der Hunnen unversehrt zu entkommen. Sabinus gab Befehl, das Südtor zu öffnen. Aber die mörderische Frechheit der Hunnen kannte keine Grenzen. Ein kupferfarbener Krieger, bekleidet nur mit etwas Fell und ein paar Federn, kam in tief gebückter Haltung auf einem schmutzigen kleinen Schecken herangejagt, fegte denkbar knapp vor den donnernden Hufen des schweren Schlachtrosses vorbei, drehte sich um, spannte seine Bogensehne und schoss auf kurze Distanz, vielleicht fünf Meter, einen Pfeil ab, der den Lanzenreiter im Gesicht traf und hinten am Helm wieder austrat. Das schwere Ross galoppierte mit seinem toten Reiter im Sattel weiter. Der kleine Reiterkrieger aus den Steppen ritt näher heran, um sein Werk zu begutachten, und von seinen Stammesgenossen brandete beifälliger Jubel über das tollkühne Kunststück auf, das er vollbracht hatte. Fast schien es, als wäre das alles für sie nur ein Spiel, trotz der vielen Toten aus ihren Reihen, mit denen der Boden vor den Mauern des Kastells übersät war. Alle Menschen müssen sterben. Warum dann nicht ruhmvoll sterben, im Kampf? Krieg hatte große Ähnlichkeit mit der Jagd in der Steppe, und die besten Jäger gaben auch immer die besten Krieger ab.
Tatullus befahl seinen Armbrustschützen oben auf der Mauer, den hunnischen Reiter abzuschießen. Aber sie trafen ihn einfach nicht. Sie waren inzwischen zu einem kleinen, zu Tode erschöpften Häuflein zusammengeschrumpft. Konnten die Armbrüste in ihren schwitzigen, zitternden Händen kaum noch ruhig halten, hatten brennende Schmerzen in den Armen, und vor Übermüdung verschwamm ihnen alles vor den Augen. Der Reiter galoppierte unbehelligt weiter, drehte sich sogar zu ihnen um und stieß triumphierend die Faust in die Luft. Kurz darauf kam das Schlachtross durchs Tor getrottet, mitsamt seinem leblosen Reiter, der, ein grausiger Anblick, in sich zusammengesunken auf dem Holzsattel umhergeschüttelt wurde.
«Holt ihn runter», befahl Tatullus, «und verrammelt das Tor wieder.»
«Herr?»
Tatullus funkelte den Soldaten zornig an. Nein, von den Reitern würde sonst keiner mehr zurückkommen.
Die Torflügel schwangen langsam wieder zu.
«Da kommt noch einer!», erscholl ein Ruf von den Mauern.
Verflucht.
Aber auch nur einen Mann zu verlieren, weil sie aus Furcht die Tore verrammelt hatten, kam nicht in Frage. Die Tore würden jedem offen stehen, der jetzt noch kam. Tatullus schickte einen Läufer zum Wachturm.
Sabinus war getroffen worden, was er aber vor seinen Männern sorgsam zu verbergen suchte. Die Wunde an seiner Seite war dick mit Leinenverbänden bandagiert, die, so hoffte er, die Blutung stoppen würden. Bei jedem Befehl aber, den er brüllte, quoll mehr Blut aus der Wunde. Kalter Schweiß stand ihm auf der
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