Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Attila - Die Welt in Flammen

Attila - Die Welt in Flammen

Titel: Attila - Die Welt in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Napier
Vom Netzwerk:
Nichts aufgetaucht war, an der Spitze einer Streitmacht von Reiterkriegern, deren Zahl unermesslich schien. Auch das Imperium im Westen würde untergehen, so sicher wie die stille Sonne.
    Unten auf der Ebene galoppierten vereinzelte Reiter umher, raubten den Toten ihre Rüstung, verbrannten sie wie Abfall. Gelegentlich erblickten die Männer auf der Mauer durch den im Abendrot aufwirbelnden Staub eine johlende Gestalt zu Pferde, die ihre Stammestracht durch einen neu erbeuteten Putz ergänzt hatte. Ein Kutrigurischer Hunne mit bis auf ein kleines Haarbüschel kahl rasiertem Schädel im Siegesrausch, bekleidet nur mit einem Lendenschurz aus speckigem Hirschleder und bedeckt mit blauen Tätowierungen, mit Bogen und Pfeilköcher auf dem Rücken und sichtlich stolz auf den roten Umhang eines römischen Kavalleristen, der ihm beim Reiten um die Schultern flatterte. An seinen Sattel hatte er als grausige Trophäe einen frisch abgeschlagenen Kopf gebunden. Er schwenkte seinen Säbel vor den Kastellmauern und heulte wie ein Wolf im Winter.
    Faustriemen versuchte, ihn mit einem großen Stein zu treffen, verfehlte ihn aber. Die Bussarde, die über ihnen im letzten Abendrot am Himmel kreisten, waren nicht mehr allein, Rotmilane hatten sich zu ihnen gesellt. «Verdammte Aasfresser», brummte der Hüne aus dem Rheinland, legte dann den Kopf in den Nacken und schrie in den Himmel: «Heute Nacht gibt’s reichlich Aas, Freunde! Fresst euch tüchtig satt! Ob Hunnen- oder Römerfleisch, unter der Haut ist der Geschmack derselbe!»
    * * *
    Als eben die ersten Sterne am dunkel werdenden Himmel aufblinkten, hoch oben die Sternbilder der Leier und des Altair, Regulus etwas tiefer, ging es wieder mit den Geräuschen los, die ihnen mittlerweile so quälend vertraut waren: dumpfes Pochen in der Ferne, gefolgt vom Einschlag in knirschendes Mauerwerk. Sie nahmen wieder den Südwestturm unter Beschuss. Lange würde er nicht mehr standhalten, dann konnten sie das Kastell ungehindert stürmen und schleifen.
    «Schafft Sandsäcke heran, bessert die Schäden aus, so gut es geht!», ordnete Sabinus an.
    Und die Männer, die seit über sechsunddreißig Stunden kein Auge zugetan hatten, machten sich unverdrossen daran, die beschädigten Mauern bei Fackelschein mit Sandsäcken zu verstärken. Als einer unter der Last eines Sacks zusammenbrach, stieß Tatullus ihn gewaltsam an, bis er sich wieder aufrappelte. «Schlafen kannst du im Hades», knurrte er. «Und da kommst du bald hin, keine Sorge. Aber bis dahin, Soldat, hältst du dich auf den Beinen und arbeitest.»
    Sabinus selbst schleppte sich wieder auf seinen Posten im Westturm, wo er sich schwer atmend auf der Brüstung abstützte.
    Ich hoffte, wenn Gewalt und Krieg auf Erden verschwunden wär’ …
    Die Zeile ging ihm nicht aus dem Sinn. Von einem alten Dichter. Vergil möglicherweise? Es war so unendlich lange her, seit er die Schulbank gedrückt hatte. Ganz vorsichtig, denn er hatte höllische Nackenschmerzen, legte er den Kopf zurück, um die Sterne oben am dunklen Himmelszelt zu betrachten. Manche behaupteten ja, diese blinkenden Punkte seien in Wirklichkeit alchemistische Schmelzöfen, in denen neue Seelen geschmiedet wurden; dass dort oben die Götter wohnten und, allem Irdischen entrückt, über Erbarmen und ewige Gerechtigkeit walteten. Sehr fern jedenfalls schienen sie, die Sterne. Wie furchtbar still die Nacht war. Niemand würde ihnen zu Hilfe kommen, sie kämpften auf verlorenem Posten. Es war aus mit ihnen.
    Tatullus trat lautlos an seine Seite.
    Es war ungerecht. Die Götter waren ungerecht. Den ganzen Tag und die halbe Nacht hatten sie gekämpft wie die Löwen, und wenn der neue Tag heraufdämmerte, würden sie alle tot sein. Bloß, was nutzte es schon, Klage bei den Göttern zu führen? Das war ungefähr so sinnlos wie der Versuch, dem Ätna durch gutes Zureden Vernunft beizubringen. So war nun einmal der Lauf der Welt.
    Tatullus sah ihn an. Und obwohl sie hundemüde waren, niedergeschlagen und ohne Hoffnung, wechselten die beiden Männer ein Lächeln. Wie um übereinstimmend festzustellen: Nun, alle Menschen müssen sterben. Wir haben unser Bestes getan, und das konnte sich durchaus sehen lassen.
    Da tauchte der Armenier auf und richtete das Wort an Sabinus, wie üblich ungefragt und ohne auf Erlaubnis zu warten. «Ich habe Euch gesagt, dass sie auf offenem Gelände nicht zu besiegen sind.»
    Tatullus sah ihn drohend an. «Deinen Befehlshaber redest du gefälligst mit

Weitere Kostenlose Bücher