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Attila - Die Welt in Flammen

Attila - Die Welt in Flammen

Titel: Attila - Die Welt in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Napier
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und ein Weibchen, die zwei hungrige Küken zu füttern hatten, kreisten oben am Himmel.
    Andronicus schob sein Visier hoch, um mehr Luft zu bekommen. Er war so aufgeputscht vom Eifer des Gefechts, dass er keinen Schmerz mehr spürte; ein Pfeil hatte ihn im Oberschenkel getroffen, aber das konnte auch später noch wehtun. Er brüllte einen weiteren Befehl und riss dann jäh sein Pferd am Zügel nach rechts herum, das Langschwert vor sich ausgestreckt wie eine Lanze. Endlich hatte er gemerkt, was los war. So tüchtig sie in den Reihen der fliehenden Hunnen auch aufgeräumt hatten, jetzt waren sie umzingelt, Hornissen gleich, die in einen Bienenstock eingedrungen waren. Wohin er auch schaute, fiel sein Blick auf hunnische Reiter, die in einem einzigen, weit gezogenen Kreis um ihre Kolonne herumgaloppierten. Sie feuerten ihre Pfeile immer nur in einem bestimmten Kreisquadranten ab, um nicht ihre Leute auf der anderen Seite zu treffen. Geschickt. Auf der übrigen Wegstrecke luden sie dann ihre Bogen nach.
    Immer mehr von Andronicus’ Männern fielen den Pfeilen zum Opfer. Brüllten mit zurückgeworfenem Kopf auf, taumelten im hellen Sonnenschein, ließen ihre Lanzen schlaff neben sich herschleifen. Er hieb seinem Ross die Sternräder seiner Sporen in die breiten Flanken und sprengte seinen Männern voraus, um mit ihnen aus dem Kreis auszubrechen. Diesem Ansturm könnte keine hunnische Linie widerstehen. Doch der Feind schmolz einfach vor ihnen beiseite, ehe es zu einem Zusammenstoß kommen konnte. Der Kreis öffnete sich, formierte sich sofort neu, und schon waren sie wieder von allen Seiten umzingelt. Das taktische Geschick der Hunnen war enorm. Woher wussten sie, wann sie sich neu zu formieren hatten, wo und wann genau sie ihr Feuer einstellen mussten? Wer gab ihnen die Befehle dazu? Es war unheimlich. Selbst jetzt noch kam Andronicus nicht umhin, ihr Geschick zu bewundern. Über die Hunnen hatte er schon viele Gerüchte gehört. Jetzt sah er sie mit eigenen Augen und verstand. Sie waren gar keine Dämonen aus den Tiefen der Wildnis, bloß wirklich fabelhafte Krieger. Die gefährlichsten Gegner vielleicht, mit denen Rom es in seiner langen Geschichte je zu tun bekommen hatte.
    Auf der Anhöhe am Ende der Ebene thronte der hunnische Kriegsherr auf seinem Pferd, reglos wie ein primitives Götzenbild aus Basalt irgendwo in der Wüste. Von ihm jedenfalls erhielten seine umherwirbelnden Scharen keine Befehle.
    Da schwirrte auch schon der nächste Pfeilregen heran. Andronicus kauerte sich im Sattel zusammen, drückte das Gesicht in die grobe Mähne seines Reittiers. Bisweilen empfand er diesen strengen, süßlichen Pferdegeruch als tröstlich, abends im Stall etwa nach einem langen Tag voll anstrengender Waffenübungen oder, besser noch, nach einer Jagd. Jetzt nicht. In dieser Lage gab es für ihn keinen Trost. Ein Pfeil prallte von seiner Schulter ab und riss ihm seitlich den Hals auf. Sein Schweiß brannte in der Wunde. Seine leinene Tunika war klebrig von Blut.
    Zu viele seiner Männer waren inzwischen gefallen, die Kolonne hatte jeden Zusammenhalt verloren. Auch der Tag war verloren. Es war längst Nachmittag, und die Sonne stand schon so tief, dass sie grell hinter dem steinernen Kriegsherrn auf der Anhöhe und seinen zahllosen Kriegern hervorstrahlte und die römischen Lanzenreiter geradezu schmerzhaft blendete, ebenso wie ihre Kameraden auf den Mauern Viminaciums, das dem Untergang geweiht schien. Wie sonst war das Urteil der Sonne zu verstehen?
    Von jenen Mauern drang jetzt ganz fern das verzweifelte Trompetensignal zum Rückzug herüber. Andronicus lächelte schmerzlich. Ja, wenn das so einfach wäre. «Kommt doch, Freunde, und holt uns», murmelte er und merkte erst jetzt, dass sein Mund voll Blut war.
    Einige aus ihrem versprengten Häuflein stoppten ihre Rösser und wollten zum Kastell umkehren, wurden aber gezielt abgeschossen, einer nach dem anderen. Andere irrten unschlüssig und wie betäubt im Kreis umher. Als Andronicus sich im Sattel umwandte, um nach anderen Kameraden Ausschau zu halten, zischte ein Pfeil knapp an seinem Rücken vorbei; hätte er sich nicht umgedreht, wäre er tödlich getroffen worden. Jetzt konnten sie nur noch eines versuchen. Zum Kastell führte ohnehin kein Weg zurück, für keinen von ihnen. Mit dem Mut der Verzweiflung schrie er einen letzten Befehl, und Blut spritzte aus seinem Mund. «Wir reiten eine Sturmattacke! Zu den Onagern!» Er biss die Zähne zusammen. Stell es dir als

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