Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Attila - Die Welt in Flammen

Attila - Die Welt in Flammen

Titel: Attila - Die Welt in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Napier
Vom Netzwerk:
‹Herr› an, Soldat.»
    Der Armenier beachtete den Zenturio nicht weiter. Und mit «Herr» redete er schon gar niemanden an.
    «Ihr wisst, worin jetzt Eure letzte Chance besteht: sie zum Kampf Mann gegen Mann zwingen und ihnen hohe Verluste zufügen. Sie hinhalten, ihnen einen gewaltigen Blutzoll abfordern, um Zeit zu gewinnen, bis Verstärkung eintrifft.» Er rückte seinen Schwertgürtel herum. «Falls sie aber entschlossen sind, Euer Kastell zu überrennen, koste es, was es wolle, und keine Verstärkung anrückt, kommen wir hier natürlich alle um.»
    Wieder schlug ein Geschoss in den Südwestturm ein.
    «Ein römischer Legionslegat lässt sich für gewöhnlich von einem einfachen Rekruten keine Ratschläge erteilen», stellte Sabinus klar, obwohl er spürte, dass Arapovian weit mehr war als ein einfacher Rekrut.
    Der Armenier fuhr unbeirrt fort. «Schon meine Vorfahren mussten gegen die Hunnen kämpfen. Hephthaliten, die weißen Hunnen. Auf den Hochebenen am Ararat, wo der Euphrat aus dem Schmelzwasser der schneebedeckten Berge entspringt und zu Tale strömt, um mit seinem Nass die weiten Kornlande von Erzinjan und Erzurum zu tränken, und die lieblich duftenden Obstgärten von –»
    «Verzeih, wenn ich dir ins Wort falle», sagte Sabinus, «aber für blumige Poesie ist jetzt wirklich keine Zeit.»
    Arapovian deutete eine würdevolle Verbeugung an. «Mein Großvater ist im Kampf gegen die Hunnen gefallen. Als Reiter und Bogenschützen, so viel steht fest, sind sie jedem Gegner weit überlegen. Man muss sie in Nahkämpfe verwickeln, sie von ihren Pferden trennen, so wie heute mit der Phalanx aus Spießträgern. Das hat ihnen wehgetan.»
    «Danke für Eure weisen militärischen Ratschläge, mein hoher Herr», ächzte der Legat, während er vor jähem Schmerz die Faust auf der Mauer ballte und sich die andere Hand gegen die Seite presste. «Und wie, schlägst du in deiner unergründlichen orientalischen Weisheit vor, sollen wir das anstellen? Sollen wir ihnen eine verflixte Einladung zum Abendessen schicken?»
    Die nächste massive Erschütterung. Das Getöse einstürzenden Balkenwerks.
    Arapovian deutete mit dem Kopf in die Richtung, wo sich das Unheil abspielte. «Lasst sie ins Kastell kommen. Hört auf, die Mauer und den Eckturm zu verstärken, lasst beides einstürzen. Tretet ihnen auf den Trümmern zum Kampf Mann gegen Mann entgegen, wo ihnen ihr Geschick mit dem Bogen und ihre Reitkünste nichts nützen. Dieser rohe Kerl, Caestus, wird ihnen im Kampfgetümmel tüchtig zusetzen. Jetzt dagegen kommt er nicht zum Zug. Bis ihn am Ende ein Pfeil tötet.»
    Sabinus überlegte kurz und entließ Arapovian dann. «Geh wieder nach unten, Soldat.»
    Dann überlegte er weiter. Es kränkte seinen Stolz, sich Ratschläge von einem einfachen Rekruten erteilen zu lassen, mochte es sich nun um einen armenischen
naxarar
vornehmer Abkunft handeln oder nicht. Noch mehr kränkte es seinen Stolz, diesen Ratschlag sogar umzusetzen. Aber …
    Das Dröhnen galoppierender Hufe, ein plötzlich aus der Dämmerung heransausender Regen von Pfeilen. Ein gellender Schrei von den Zinnen. Wieder einen Mann verloren.
    Der Eckturm würde ohnehin einstürzen, früher oder später. Darauf konnten sie sich schon jetzt einstellen.
    Ein junger Soldat auf der Mauer war inzwischen endgültig durchgedreht. Julianus, der halbe Knabe, dem er noch Mut zugesprochen hatte, ehe das alles losging. Was aber hätte ihn auf diesen Irrsinn vorbereiten sollen? Der Junge kroch, hemmungslos schluchzend, heulend wie ein Hund, auf Händen und Knien am Boden herum. Ein anderer Soldat nahm sich seiner an und zerrte ihn die Treppe hinunter. Diesmal würde er wohl nicht zurückkehren.
    Sabinus stockte kurz der Atem. Um den Schmerz zu betäuben, trank er einen letzten Schluck Wein und wandte sich dann an den Läufer, um ihm seinen Befehl mitzuteilen.
    «Die Verstärkungsarbeiten am Südwestturm einstellen! Den Turm restlos räumen und einstürzen lassen.»
    Der Mann zögerte. «Herr?»
    Er wiederholte seine Worte nicht. Der Soldat lief los.
    Vielleicht hatte der Armenier recht. Wenn der Eckturm eingestürzt war, würden sie auf dem Trümmerhaufen, der dann noch übrig blieb, zum Kampf antreten. Sollten die Barbaren ruhig versuchen, diese Linie zu durchbrechen. Schon die Spartaner rühmten sich einst, dass ihre Mauern nicht aus Stein bestanden, sondern aus Männern.
    * * *
    Sabinus sah seine Vermutungen bestätigt. Die hunnischen Artilleristen – ein lachhafter

Weitere Kostenlose Bücher