Attila - Die Welt in Flammen
andächtig.
Faustriemen rülpste. «Ja, nicht übel.»
«Nicht der Wein, du Bauer. Das hier.» Er breitete seine vernarbten Hände aus. «Der Mond, der dunkle Himmel, die Sommersterne.»
Faustriemen wandte sich an Arapovian. «Der Junge redet wie ein Schwarmgeist. Hat er Fieber?»
«In gewisser Weise ja. Eins, gegen das die Heilkunst machtlos ist.»
Malchus ließ sich nicht beirren. In hingerissenem Flüsterton fuhr er fort. «Dieser große Krieg gegen die Hunnen, der gerade erst angefangen hat. Der Anblick wild kämpfender, untergehender Armeen. Ein schwarzes Pferd, das einsam über eine leere Ebene galoppiert. Das Blinken von Speeren im Sonnenschein. All das. Wie ich es liebe.
Sequor omina tanta, quisquis in arma vocas.
» Er seufzte. «Es gibt nichts Schöneres als den Krieg.»
Er hatte etwas von einem kampftrunkenen Helden vor den Mauern Trojas, wie Homer sie in seiner Illias schilderte. Gewiss würde er einst auf dem Schlachtfeld sterben, das schwarze Haar triefend von Schweiß und Blut, mit einem verzückten Lächeln auf dem hübschen Gesicht. Und dann sogleich in die elysischen Gefilde eingehen.
«Verdammt, du bist ja ein richtiger Dichter», knurrte Faustriemen. «Trink lieber noch etwas Wein. Alle Dichter saufen.»
«Findet ihr nicht auch», Malchus richtete sich wieder auf, «manchmal, dass alles so, wie es ist, wunderschön ist? Das ganze Durcheinander aus Schönheit und Jammer und Grauen, so, wie die unbekannten Götter es eben erschaffen haben? Und dass es im Grunde auch das Böse nicht gibt – wie könnte es anders sein? Und dass sogar der Tod noch wunderschön ist?»
«Du bist besoffen», brummte Faustriemen.
«Wie alt bist du jetzt?», fragte Arapovian ernst.
«Vierundzwanzig», sagte Malchus. «Der jüngste Reiterhauptmann an der Donaugrenze.»
«Na dann», sagte der Armenier, während er sich zum Schlafen niederlegte, «dann hast du ja noch etwas Zeit, dich von der Existenz des Bösen zu überzeugen.»
* * *
Sie schliefen auf der Seite, den Kopf auf die Armbeuge gebettet. Als sie morgens aufwachten, waren ihre Wangen mit Tau benetzt. Arapovian badete in einem Bach ganz in der Nähe, neugierig begafft von Faustriemen, der das offensichtlich nicht fassen konnte, und säuberte sich die Zähne mit grünem Haselreis. Dann verteilte er das Brot und den Käse an die Menschen in ihrer Obhut.
Der kleine Stephanos aß zu hastig und bekam wieder Schluckauf. «Entschuldigung», sagte er verlegen.
Arapovian strich ihm übers Haar. «Jetzt kannst du hicksen, so viel du willst, Junge. Die Hunnen sind fort.»
* * *
Ein paar Tage darauf erspähten sie, wohlverborgen im Wald, eine merkwürdige Familie, die auf der Landstraße in Richtung Westen unterwegs war: zwei Mädchen, einen Jungen, eine Frau in einem schmutzigen roten Kleid und einen Mann im schmal geschnittenen weißen Gewand eines Priesters der Kirche mit einem Chi-Rho aus Holz vor der Brust. All ihr Hab und Gut war auf ein zottiges, stämmiges kleines Pony gepackt, das den Reittieren der Skythen zum Verwechseln ähnlich sah.
Die Flüchtlinge wagten sich aus dem Wald zur Straße hinunter und sprachen sie an. Der Priester war einst der Bischof von Margus gewesen. «Aber Margus existiert nicht mehr. Es ist zerstört worden.»
Arapovian atmete tief durch. «Auch Viminacium ist zerstört worden. Wir sind die einzigen Überlebenden.»
«Die Legionsfestung ist … zerstört worden?», fragte die Frau fassungslos.
Sie nickten. Worauf sie sich bekreuzigte. Der Bischof murmelte etwas vom Teufel.
«Wohin seid ihr jetzt unterwegs?», fragte Arapovian.
«Nach Westen. Nach Sirmium, vielleicht noch weiter.»
«Dann müsst ihr den Legaten dort aufsuchen. Was ihr zu berichten habt, wird sehr wertvoll sein.»
Der Priester ging nicht darauf ein, als wolle er sich zu nichts verpflichten. Er warf einen Blick auf die abgerissenen Frauen und Kinder, auf das betagte Ehepaar, das sich gegenseitig stützte. «Die Leute können gerne mit uns kommen.»
Die Soldaten beratschlagten kurz. Im Westen wären sie erst mal in Sicherheit, vorläufig zumindest. Die apathischen, erschöpften Angehörigen waren einverstanden, ein festes Ziel hatten sie ohnehin nicht. Also zogen sie mit der Familie zusammen davon. Der Priester empfing sie mit einer kurzen Predigt über den Zorn, der da über sie alle kommen würde.
Die vier Soldaten wandten sich nach Süden.
Nach einigen Meilen brachten sie sich in den Besitz akzeptabler Pferde, die sie kurzerhand von einer
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