Auch das Paradies wirft Schatten
Gutes verhieß.
»Wo ist Marianne?« fragte Pedro, als er sie nirgends sah, im Laden nicht und im Büro auch nicht.
»Fort.«
»Wie fort? Können Sie sich nicht genauer ausdrücken, alter Freund?« fragte lächelnd Pedro, der den Ernst der Lage noch nicht wahrhaben wollte.
»Ich weiß nicht, wohin sie ist. Sie stürzte jedenfalls weinend aus dem Laden. Sie war zurückgekommen vom Essen zu Hause, wo sie einen Brief vorgefunden hatte. Den da … sie zeigte ihn mir … sie wollte ihn gar nicht mehr haben …«
Faber überreichte Pedro jenen Brief. Pedro nahm den Umschlag und drehte ihn um, um als erstes nach der Absenderangabe zu sehen.
M. v. Bahrenhof.
Eine kalte Hand schien ihm nach seinem Herzen zu greifen.
»Lesen Sie«, sagte Dr. Faber.
Pedro zog den mit Maschine geschriebenen Bogen aus dem Umschlag und faltete ihn auseinander. Rasch lief er rot an, sein Puls beschleunigte sich, die Stirnadern schwollen an.
Er las:
»Bestes Fräulein Klett!
Zu ihrer bevorstehenden Verlobung mit Pedro darf ich Ihnen als Eingeweihte wohl zuerst gratulieren. Sie erhalten wirklich einen treuen Mann, der, wenn er einmal ein Ziel sieht, es auch verfolgt, ohne Rücksicht auf Herzen und Gefühle. Selbst Küsse, die er im Auto mit jungen Witwen tauscht, hindern ihn nicht daran, für die Erhaltung seines Majorats sich selbst zu verleugnen.
Werden Sie glücklich mit ihm, bestes Kind, glücklicher als ich vor allem, die den großen Nachteil hat, ihn zu gut zu kennen, um Herrin auf Aarfeld zu werden.
Ihre Mathilde von Bahrenhof.«
Pedros sämtliche Empfindungen sammelten sich, als er den Brief sinken ließ, in einem einzigen Ausdruck, den er hervorstieß: »Dieses Mistvieh!«
Adelig war das nicht gerade.
»Sie hatten also nichts mit der?« schloß daraus Dr. Faber erleichtert.
»Natürlich nicht; nur …«
Pedro stockte.
»Was nur?« fragte Faber.
Pedro gab sich einen Ruck. »Es war so: Wir hatten beinahe einen Unfall. Ich mußte scharf abbremsen, der Wagen schleuderte, und sie flog mir an die Brust. Ich habe sie nicht gleich weggestoßen, das war mein Fehler. Als ich mich behutsam – um sie nicht zu verletzen, weder physisch noch anders – von ihr lösen wollte, fiel sie buchstäblich über mich her und verschlang mich mit ihren verdammten Küssen, in denen sie jetzt eine Waffe sehen will.«
Pedro schlug mit dem Rücken der freien Hand auf den Briefbogen, den er in der anderen hielt, und fragte den Kunsthändler, der ihn mit einer Spur von Zweifel im Gesicht ansah: »Was soll ich machen? Was raten Sie mir?«
»Sie müssen die Sache bereinigen.«
»Und wie?«
»Indem Sie mit beiden Frauen reden – mit der einen allerdings klar und deutlich, damit ihr für immer die Lust zu solchen Intrigen vergeht.«
Fünf Minuten später war Pedro von Aarfeld mit dem Wagen schon unterwegs nach Bahrenhof, wieder einmal mit Höchstgeschwindigkeit.
Die langen Gänge des Sanatoriums waren weiß getüncht und mit hellgrünem Linoleum ausgelegt. Überall drängte sich der Eindruck peinlichster Sauberkeit auf.
Auf Zimmer 9 der Privatstation lag Siegurd von Aarfeld. Seinen Kopf hüllte ein großer Verband ein, der nur das schmale Gesicht zwischen halber Stirn und halbem Kinn freiließ. Sein rechter Arm war dick mit Brandbinden umwickelt, sein linkes Bein lag in einer langen Schiene. Die eben verheilten Brandwunden am Rumpf verdeckte ein Pyjama. Siegurds Verletzungen hatten in den ersten Tagen zu größter Besorgnis Anlaß gegeben. Nun aber befand er sich auf dem Weg der Besserung.
Heute hatten, unter Anleitung des Chefarztes, Professor Krafft, die ersten Gehversuche stattgefunden. Das war nicht ohne Erschöpfung abgegangen, und deshalb lag Siegurd jetzt bleich und kaputt im Bett. Eine zusätzliche Belastung ging von Marianne aus, die auf einem Stuhl vor dem Bett saß und vor sich hinweinte.
Die Frage, mit der sie ins Zimmer gestürzt war, hatte gelautet: »Was haben Pedro und diese Bahrenhof-Hexe miteinander?«
Siegurd war natürlich überrascht und erschrocken gewesen und hatte deshalb im ersten Augenblick nur hervorgestoßen: »Nichts.«
»Aber sie behauptet das Gegenteil, Siegurd!«
»Welches Gegenteil?«
»Daß er sie geküßt hat!«
Und nun hatte Siegurd einen großen Fehler gemacht, indem er sagte: »Na und? Hast du mich nicht auch geküßt?«
Ein Aufschrei Mariannes ertönte: »Das ist doch etwas ganz anderes!«
Weibliche Logik. In solchen Fällen entdecken Frauen immer elementare Unterschiede.
Jedenfalls löste sich ein
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