Auch dein Tod ändert nichts (German Edition)
tat.
Bevor ich mich versah, lagen wir auf dem Bett. Er strich mir das Haar aus dem Gesicht und lächelte. Dann zog er mir das Top aus. Ich habe nicht einmal versucht, ihn daran zu hindern. Ich war neugierig. Neugierig darauf, all die Dinge zu erfahren, von denen ich in Andeutungen gehört hatte, Geflüster. Wenn ich ein Neuling war, er war es nicht. Und das Überraschendste war, es gefiel mir. Das Küssen und Streicheln weckte Empfindungen in mir, die ich so noch nie zuvor gehabt hatte. Ich fühlte mich besonders und stark. In der Bewertungsskala, die wir Mädchen damals hatten, kam ich von null auf zehn.
Hinterher fragte er mich, ob alles in Ordnung wäre.
»Ja«, sagte ich. »Mir geht es gut.«
Es war mein erstes Mal. Ich wollte nicht, dass er das wusste, doch ich bin sicher, dass er es vermutet hat. Ich lag einfach neben ihm. Ich
fühlte mich wie befreit. Ich hatte es getan. Musste mich nicht mehr fragen, wie es wohl wäre.
Aus dem Zimmer zu kommen, ohne dass es jemand erfuhr, war schwierig. Das Schlimmste, das Allerschlimmste wäre, wenn sie alle wüssten, was passiert war.
Ich glitt aus dem Bett und verließ ihn, ging leise aus dem Zimmer, immer noch besorgt, jemanden zu wecken. Sobald ich aus dem Zimmer war, traf mich der Schock über das, was passiert war, wie ein kalter Windstoß. Ich musste mich an der Wand abstützen. Wichtiger als alles sonst, wichtiger als jede andere Überlegung war mir, dass es niemand erfahren dürfte.
Keine Chance. Martha erwischte mich. Sie wartete auf mich, als ich aus dem Zimmer kam. An ihren Augen konnte ich erkennen, dass sie es wusste. Ich wollte mich an ihr vorbeidrücken, doch sie hob die Arme, um mich zu stoppen.
»Glaub bloß nicht, du kannst einfach gehen, als wäre nichts passiert«, zischte sie dicht an meinem Ohr. »Mach bloß, dass du wegkommst, du Schlampe.«
Wie zur Bestätigung schmiss sie meine Sachen die Treppe runter, und ich ging, lief durch die Nacht. Marthas Mum musste meine angerufen haben. Sie ist losgefahren und hat mich aufgegabelt.
Sie war verärgert.
»Was ist los mit dir? Wieso kommst du drauf, einfach so davonzurennen?«
Ich hatte nicht vor, ihr etwas zu erzählen, und so hielt ich den Mund. Weil ich einfach nichts sagte, füllte sie den leeren Raum zwischen uns mit Beschwerden über mich. Ich sei nicht normal. Wie denn auch? Was mir denn einfiele, so mir nichts, dir nichts mitten in der Nacht bei jemandem aus dem Haus zu gehen? Was sollten denn die
Leute denken? Die arme Mutter von Martha musste ja völlig außer sich gewesen sein. Man hört ja so schreckliche Geschichten. Ich war so egoistisch. Ich dachte niemals an irgendjemanden sonst. Dachte niemals an die Konsequenzen. Kein Wunder, dass ich keine Freundinnen hatte. Ob ich denn gar nichts dazu zu sagen hätte?
Ich schüttelte den Kopf und blickte aus dem Fenster.
Ich käme ganz nach meinem Vater. Der wäre auch immer ein Eigenbrötler gewesen. Immer dasselbe. Nur Schweigen. Ob ich denn keine Zunge hätte? Wenn ich nicht aufpasste, würde ich denselben Weg gehen. Er hatte ihr Leben ruiniert. Sie dächte gar nicht daran, mich das auch machen zu lassen. Wollte ich denn nicht, dass sie glücklich wäre? Warum ich zur Abwechslung nicht auch einmal an sie dächte? Als wenn ich jemals die Chance gehabt hätte, etwas anders zu machen.
Ob ich denn nicht wollte, dass wir beide etwas abgesicherter wären? Zu einer ordentlichen Familie gehören?
Ich konnte schon sehen, worauf das hinauslief. Sie sprach von Trevor. Damals waren sie noch nicht verheiratet.
Ob ich etwa glaubte, sie könnte für alle Zeiten alles alleine bewältigen? Unser Einkommen wäre genug? Sie sei immer noch eine junge Frau (na gut, vergleichsweise). Ob sie denn nicht das Recht auf einen Partner hätte?
Ich ließ sie ihre abgedroschene Jammertour abziehen, gegen das Leben im Allgemeinen und das Schicksal, das ihr zugestoßen war. Alles war mein Fehler. Ich hatte ihr Leben allein schon durch meine Geburt zerstört. Damit hatte es begonnen, dass alles schieflief. Bis dahin war alles gut gewesen. Wirklich perfekt. Es war ein Fehler gewesen. Wie immer machte sie damit weiter, sich über die Streitereien mit Dad auszulassen.
Ich hörte nicht wirklich zu. Das hatte ich alles schon früher gehört. Ich trug die Schuld mit mir herum wie einen zu engen Schuh. Mit der Zeit gewöhnt man sich an alles.
Nicht lange danach fing das Geflüster an, das Gesimse, Zettelchen während des Unterrichts, das Gekritzel an Toilettenwänden und
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