Auch dein Tod ändert nichts (German Edition)
Munition benutzt. Es war ein Unfall«, wiederhole ich. »Wie kommst du drauf, dass es keiner war?«
»Weiß nicht. Ich hab nur gedacht … « Ihr Blick ist nicht mehr konzentriert, schweift ab. Jetzt macht sich der ganze Meskal bemerkbar. »Vielleicht war es was, das Martha mal gesagt hat … «
»Aber es stimmt nicht. Warum soll sie es dann sagen?«
»Ich weiß nicht.« Sie dreht die Flasche um. »Fast leer.«
Sie steht auf, um eine neue zu holen, aber ich ziehe sie wieder nach unten.
»Nein.« Ich nehme ihr die Flasche ab. »Nicht bevor du es mir erzählst. Woher weißt du das?«
Sie macht sich los und geht in die Küche.
Als sie zurückkommt, hat sie die neue Flasche in der Hand. »Magst du?« Ich schüttele den Kopf. »Wie du willst.« Sie gießt sich einen Schluck ein und kippt ihn runter. »Dad ist tot. Das musst du einfach akzeptieren. Mein Dad ist eines Tages aus dem Haus gegangen und nie zurückgekommen. Er ist ins Auto gestiegen, in einen Wald gefahren und hat sich erschossen.«
Sie schweigt und blickt in die Ferne, als wäre sie wieder in dieser Zeit, wieder in dieser Wohnung.
»Das ist schrecklich«, sage ich in die Stille. »Es ist schrecklich, wenn es passiert, aber das ist nicht mit meinem Dad passiert. Bei ihm war es ein Unfall.«
»Oh.« Sie schaut mich mit schweren Augen an. »Woher weißt du das?«
»So ist es mir erzählt worden.«
»Wie alt warst du da?«
»Noch jung. Drei.«
»Drei!« Sie richtet sich auf. »Da hast du’s doch. Die haben dich angelogen. Sie hätten mich auch angelogen, wenn ich nicht schon alt genug gewesen wäre, das zu durchschauen. Menschen mögen die Wahrheit nicht. Sie verzerren sie zu etwas, das leichter zu akzeptieren ist.«
Jetzt war ich mit Schweigen an der Reihe. Alles, was ich je geglaubt hatte. Alles, was mir immer wieder erzählt worden war. Sie erschüttert meine Welt. Ich greife nach der Meskalflascheund nehme einen großen Schluck. Kleinigkeiten fügen sich in meinem Kopf aneinander. Eine Bemerkung hier, eine Bemerkung da. Gedämpfte Unterhaltungen, die ich nicht mitbekommen sollte. Je mehr ich darüber nachdenke, desto sicherer werde ich, dass es stimmt, was sie sagt.
Und gerade, als ich denke, es kann nicht schlimmer werden, wird es das.
»Aber woher weißt du das?«, frage ich. »Wenn es etwas ist, das ich selbst nicht gewusst hab, wie kannst du es dann wissen?« Von Martha kann sie es nicht haben. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie genauso wenig weiß wie ich.
»Es war Rob«, sagt sie schnell, als wollte sie es hinter sich bringen. »Rob hat es mir erzählt.«
»Aber wie …?«
»Da gibt es was, das du wissen solltest.«
Dann erzählt sie mir, was an Marthas Party wirklich passiert ist. Ich breche in der Kälte des frühen Morgens auf. Ich weiß nicht, ob es am Meskal liegt oder an dem, was sie mir erzählt hat, aber mein Gesicht fühlt sich so starr an wie eine Maske. Ich habe das Gefühl, auseinandergenommen worden zu sein, als würden meine Arme und Beine nicht zu meinem Körper gehören. Ich kann meine Füße nicht spüren, doch ich schaffe es, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Ich habe reichlich Stoff zum Nachdenken auf dem langen Weg nach Hause.
23
»Wenn ich nicht tanzen kann, ist es nicht meine Revolution.«
Wird Emma Goldman zugeschrieben
Ich weiß nicht, ob Emma G. das wirklich gesagt hat, aber ich hoffe es.
Er hat recht. Ich sollte nicht trinken. Das mit dem Fahren ist mir egal. Ich kann bei dem, was ich sage, nicht die Spur halten. Warum habe ich ihm das von seinem Vater erzählt? Ich hatte Rob versprochen, es nicht zu machen. Es ist mir so rausgerutscht. Wahrscheinlich sollte ich keinen Meskal mehr trinken, er wirkt wie ein Wahrheitsserum. Ich war besoffen und leichtsinnig, sonst hätte ich es ihm nie erzählt. Oder auch das, was an Marthas Geburtstag passiert ist. Trotz gegenteiliger Berichte bin ich nicht so ein durchtriebenes Biest. Er blickt voll durch. Ihm war klar, dass ich in Bezug auf die Party gelogen habe. Ihm war nur nicht klar, warum. Natürlich erinnere ich mich.
Ich habe mich fehl am Platz gefühlt. Den ganzen Abend. Ich war neu in der Schule. Meine Freundschaft mit Martha ist schnell entstanden (sie ist einfach so, kann sich ganz plötzlich für Leute begeistern) und hat sich mit einer Intensität entwickelt, die mich verwirrte. Ich hätte vorsichtiger sein müssen. Obwohl ich rund ein Jahr jünger bin als sie, waren wir in derselben Jahrgangsgruppe. Ihre Freundinnen
mochten mich nicht,
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