Auch dein Tod ändert nichts (German Edition)
gefühlt. Nicht einmal Bryn und den anderen Jungs. Sicher, du würdest für sie sterben – und sie für dich – das ist eine klare Kiste – aber du spricht mit ihnen nie über tiefgründiges Zeug, persönliches Zeug – über deinen Dad und über damals, als du ein Kind warst und so, aus Angst, dass du als Schwächling dastehst und dann von ihnen verarscht wirst.
Sie schafft es, dass ich mich selbst wieder spüre. Das tut weh. Wie Blut, das wieder in einen Körperteil gepumpt wird, der lange unbeweglich war. Sie gibt mir das Gefühl lebendig zu sein.
Sie sagt, dass es bei ihr keine Liebe ist. Bei mir auch nicht – aber sie ist es, bei der ich diesem Gefühl am nächsten gekommen bin.
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22
Sie sagt kein Wort darüber, wohin wir fahren. Mir könnten ebenso gut die Augen verbunden sein. Als wir auf der Brücke darauf warten, dass die Baustellenampel umspringt, nehme ich den süßlichen Geruch von Alkohol in ihrem Atem wahr.
»Hast du was getrunken?«
»Kann schon sein.«
»Man trinkt besser nichts, wenn man fährt.«
»Ach du Scheiße!« Sie schüttelt den Kopf. »Das wusste ich ja noch gar nicht. Vielen Dank, dass du mir das gesagt hast.«
Ich lehne mich zurück und hoffe, dass wir es nicht mehr weit haben. Nichts passiert. Keine Polizeisirene. Wenn überhaupt, dann fährt sie etwas vorsichtiger. Als sie dann in ihre Wohnanlage einbiegt, bin ich erleichtert und ich weiß, dass wir zu ihr nach Hause fahren.
Sie hat bereits ein Tablett mit einer Flasche, Limonen und Salz gerichtet.
»Ich mag keinen Tequila«, sage ich.
»Das ist kein Tequila«, erwidert sie. »Es ist Meskal.« Sie zeigt mir den Skorpion am Boden der Flasche, schüttelt sie und lässtihn herumtreiben, als würde er da drin schwimmen. »Es ist der Beste, und nur das Beste ist gut genug. Trink aus.«
Wir sitzen auf dem Wohnzimmerboden. Die nächste Runde lasse ich aus, doch sie gießt sich noch einen ein. Und noch einen. Sie stellt die Flasche ab und verpasst beinahe die Kante des Rauchglastischs. Sie hatte zwar einen kleinen Vorsprung, aber jetzt sieht es so aus, als wäre sie echt besoffen. Mehr als ich es bisher bei ihr erlebt habe. Meskal ist ein starkes Zeug. Sie verschleift nicht die Worte. Aber ihr Sprechen und alle Bewegungen werden langsamer, bewusster, und sie ist sehr vorsichtig, als wollte sie nicht die Kontrolle verlieren. Sie redet nie über ihre Vergangenheit, andere Jungs, die Männer, die sie hatte. Sie redet überhaupt kaum über sich selbst. Je weniger sie erzählt, desto mehr möchte ich über sie erfahren. Ich denke, dass jetzt meine Gelegenheit gekommen ist.
Ich gehe in die Küche, um mir ein Bier zu holen, schinde Zeit und denke darüber nach, wie ich an sie herankomme.
Der Kühlschrank ist knallvoll mit Champagnerflaschen und der Tisch bedeckt mit Einkaufstüten der glänzenden teuren Art, als wäre sie gerade von einer Einkaufsorgie zurückgekommen.
Ich drehe mich um, und da steht sie in der Tür.
»Das da ist für dich.« Sie deutet auf eine dunkelgrüne Tüte mit der Aufschrift Ralph Lauren. »Es ist ein Hemd als Ersatz für das, das du mit Soße verkleckert hast. Die Größe hab ich schätzen müssen.«
Ich nehme das Hemd aus der Verpackung. Es ist rosa-weiß gestreift und durchgeknöpft. Nicht das, was ich normalerweise tragen würde, aber ich bin gerührt, dass sie an mich gedacht hat.
»He, danke!«
»Probier’s mal an.«
»Jetzt?« Ich folge ihr zurück ins Wohnzimmer.
»Natürlich jetzt. Es hat doch keinen Sinn, Sachen zu kaufen, wenn du sie nicht trägst.«
Ich mache, was sie sagt. Es sitzt perfekt.
»Lass mal sehen.« Sie dreht mich um, als wäre ich ein Model.
»Sieht gut aus.«
»Wie kannst du dir das alles leisten?«, frage ich, nachdem ich das Hemd fertig zugeknöpft habe.
»Sie hat mir Geld dagelassen, und Trevor hat mir noch mehr gegeben. Außerdem hab ich eine Kreditkarte bekommen.«
»Was ist mit deinem Dad? Triffst du den überhaupt jemals?«
»Mein Dad, mein richtiger Dad, der, der nicht Trevor heißt? Nein. Ich treffe ihn nicht, weil er tot ist. Er hat sich erschossen«, sagt sie nach einer Pause. »So viel haben wir gemeinsam.«
Ich ersticke fast an meinem Bier. »Was meinst du damit?«
»Was ich gesagt hab. Er ist tot.«
»Nein, nicht das.« Ich stelle die Flasche ab. »Was du über meinen Dad gesagt hast. Dass wir das gemeinsam haben. Mein Dad ist bei einem Unfall ums Leben gekommen. Er war Soldat, draußen bei einer Übung. Sie haben scharfe
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