Auch Deutsche unter den Opfern
Falco. Man kann also sagen, dass Frau Heindel Spezialistin ist für Wiener Härtefälle.
Nachdem Österreichs bis heute wichtigster Popmusiker am 6. Februar 1998 bei einem Autounfall in der Dominikanischen Republik gestorben war, hat sie die Beerdigung auf dem Zentralfriedhof organisiert. Helmut Thoma, der wie alle Österreicher, die etwas auf sich halten, natürlich dabei war, habe ihr danach sehr schön gratuliert, so möchte er auch begraben werden eines Tages. Die Hells Angels aus dem Video zu Falcos Welterfolg »Rock me Amadeus« saßen gerade im Gefängnis, erinnert sich Heindel, sie bekamen aber zum Sargtragen Freigang, ein Anruf beim Bürgermeister war das – und dann kein Problem. Herrlich, so stellt man sich Wien doch vor! Heindel arbeitete damals im Büro von Hans Mahr, der vorher Wahlkampfmanager des österreichischen Kanzlers Bruno Kreisky war und später RTL-Chefredakteur wurde, und als Mahr sie eines Tages Mitte der 80er Jahre fragte, was sie davon halte, wenn »wir jetzt den Falco machen«, wusste sie, dass die Sache bereits entschieden war. Bei seinem Antrittsbesuch gab Falco ihr Geld für einen Büro-Kühlschrank. Mahr war sparsam oder auch geizig, Falco aber war spendabel, und außerdem trank er ganz gern mal was Kühles.
Nun jährt sich sein Todestag zum zehnten Mal, und Erinnerung, Tod und Verklärung sind ja so etwas wie die Kernkompetenzen der Stadt Wien;
es ist deshalb während dieser zehn Jahre nie ganz still um Falco geworden, was natürlich an Werk und Person des Verstorbenen liegt, aber eben auch am Wesen der Stadt und ihrer Bewohner im Speziellen – die pflegen ein Denkmal, indem sie sich selbst herausputzen. Es gibt nicht viele Wiener, die sich gar nicht zu Falco geäußert haben seit seinem Tod, in Büchern, im Fernsehen und überall, wo man sie ließ. Sie alle kannten ihn natürlich wahnsinnig gut und haben jeweils ihre ganz eigene Theorie zu seinem frühen Ende (Unfall? Selbstmord? Mord?). Zwei Dinge beachtet der Wiener Erinnerungsfanatiker dabei grundsätzlich: Er spricht erstens vom »Hansi«, denn Falco hieß bürgerlich Hans Hölzel, und der Erinnerungsfanatiker möchte so – ganz beiläufig – darauf hinweisen, dass er kein Falco-Fan war, sondern ein Freund, ein Hansi-Freund, ein enger, ein guter, ein besserer zumindest als die meisten anderen infrage kommenden Zeitzeugen, die der Wiener Erinnerungsfanatiker zweitens mit immenser Boshaftigkeit und intrigantem Geflüster zu desavouieren liebt: Mit dem haben S’ g’sprochen? Des wissen S’ aber scho’, dass der … – dann folgt irgendetwas Ungeheuerliches, zumindest Semi-Justitiables, und man wundert sich, dass der zuvor genannte Informant nicht längst im Gefängnis sitzt.
Maria-Luise Heindel steht nun direkt am Stephansdom und freut sich, Touristen gehen hinein, werfen Spendengeld in eine Miniaturausgabe des Doms: »Sehen Sie, er lebt. Im Grundbuch ist als Eigentümer der Stephansdom eingetragen, er gehört sich also selbst. Und die Bürger haben Sorge zu tragen für den Erhalt.« Auch Falcos Werk lebt, immer wieder kommen Platten heraus, es gibt ein Musical, demnächst sogar einen Kinofilm, es gibt eine Falco-Briefmarke, eine Falco-Edelrose, eine Falco-Boeing, und in der Nähe des Hauses, in dem er seine Jugend verbracht hat, wurde ihm zu Ehren vor vier Jahren die »Falcostiege« eingeweiht. »Muss ich denn sterben, um zu leben?«, barmte Falco in seinem Vermächtnis-Lied »Out of the dark«, das, postum veröffentlicht, der Hit geworden ist, den ihm zuletzt niemand mehr zugetraut hatte, er selbst sich wohl am allerwenigsten, allzu irrlichternd waren seine letztenComeback-Versuche gewesen. Obschon er den Text einige Jahre vor seinem tödlichen Unfall geschrieben hatte, bot diese Zeile natürlich Raum für jede Art Nachtragsmystik, Todesvorahnungsthese und Selbstmordtheorie. »In Wien musst erst sterben, dass sie dich hochleben lassen. Aber dann lebst lang«, zitiert Heindel den Schauspieler Helmut Qualtinger. Auch Frau Heindel hat ein Falco-Buch herausgegeben.
Sie trägt ein grünes Halstuch, ein Geschenk von Falco. Er hat ihr auch eine Stereoanlage geschenkt, die sie immer noch benutzt. Vor jedem Geburtstag fragte er Mahr, was er denn der Maria-Luise schenken solle; Mahr fragte dann die Maria-Luise, was der Falco ihr schenken solle – und so hat sich Maria-Luise Heindel immer sehr über Falcos Geschenke freuen können.
Beim Mittagessen nun ein Memorial-Stammtisch: Hans Mahr, Maria-Luise Heindel und Markus
Weitere Kostenlose Bücher