Auch Deutsche unter den Opfern
Spiegel, der Falco den ersten Plattenvertrag gab, sie brachten gemeinsam den »Kommissar« heraus – und dann ging es los. Man darf Spiegel also getrost als Entdecker Falcos bezeichnen, bloß in Wien sollte man damit vorsichtig sein, denn sofort wird einem jemand auf die Schulter tippen und erklären, warum keineswegs der Spiegel, sondern er, der Schultertipper, der wahre Falco-Entdecker gewesen sei. Hans Mahr hat in seiner Eigenschaft als Profi-Strippenzieher dieses Mittagessen arrangiert, eigentlich hatte auch noch Billy Filanowski kommen sollen, den viele Wiener – ausnahmsweise übereinstimmend – als eventuell wirklich besten Freund Falcos bezeichnen, aber der ist leider gerade in Saigon. Filanowski ist häufig im Ausland, früher nahm er Falco manchmal mit, zum Ausruhen von Wien. Auch Rudi Dolezal hat absagen müssen, der ist gerade in Miami. Gemeinsam mit Hannes Rossacher betreibt er die Film-Produktionsfirma DoRo, die beiden haben fast alle Musikvideos für Falco hergestellt, nach dessen Tod haben sie praktisch wöchentlich ihr umfangreiches Archiv ausgewrungen – und so gewinnbringend an Falco erinnert, lästern die Wiener. Vor allem Dolezal hat sich nicht sehr beliebt gemacht bei den zahlreichen Falco-Erbe-Bewachern, als er sich in Post-mortem-Interviews Falcos»Blutsbruder« nannte. Gut, dass er in Miami ist, flüstern einem die Wiener, denn das sei eine historische Chance, dass in Wien endlich einmal über Falco gesprochen werden könne, ohne dass der Dolezal sich gleich wieder vordrängelt.
Spiegel schwitzt – er schwitzt immer, sagen die Wiener. Er ist sehr lustig und bestellt sich erstmal Austern, Mahr nimmt ihm eine weg. Die jüngeren Österreicher kennen Markus Spiegel als Jurymitglied bei »Starmania«, der österreichischen Superstarsuche. Dort wäre Falco ganz gewiss nicht aufgetreten, ist sich Spiegel sicher, auch wenn er unbedingt berühmt hatte werden wollen. »Die haben ja kein Werk!«, er schüttelt den Kopf, »Die kommen einfach, singen – und denken, das reicht«. Nie habe ihm da einer ein eigenes Lied vorgespielt. Falcos erstes eigenes Lied hieß »Ganz Wien«, es geht darin um Drogen, es ist ein harter, ein ungehöriger Text, das war eine neue Art des Textens, Falco legte den Grundstein für deutschsprachigen HipHop, er nahm sich aus dem Englischen, Deutschen und Österreichischen, was ihm gerade passte, vermischte alles – und das war neu, sensationell und bald darauf weltbekannt.
Mahrs Handy düdelt den »Donau Walzer«. Bei Falco ging der ein Stück schneller, essentieller und dann recht zügig in ein gesampeltes Telefontuten über, Schlagzeug – und »Vienna Calling« bretterte los. Bei Mahr brettert gar nichts los, da schwingt der Walzer, bis Mahr drangeht. Er guckt sowieso gern in seine Kommunikationsgeräte. Dow Jones 300 runter, meldet Mahr jetzt.
Viele Wiener reden etwas abschätzig über Mahr. Das kann auch heißen: Er war Falco ziemlich nah. Mahr hat Falco Werbeverträge besorgt, das war damals noch unüblich, dass ein Popstar Geld kriegt für das Tragen oder Benutzen bestimmter Produkte; Adidas und Weight Watchers. Mahr lächelt, das waren Zeiten! Die erste Tournee, die sie für Falco organisiert haben: Maria-Luise Heindel erzählt, wie sie irgendwelche »Vari-Lights« besorgen musste, ohne so ganz genau zu wissen, was das eigentlich ist. Die Pointe solcher Strauchelgeschichten ist ja immer, dass am Ende doch alles gut geklappt hat. Die Tournee war ein großer Erfolg,natürlich. Jahre zuvor das erste große Falco-Konzert (Spiegel lutscht an einer Auster und freut sich auf den Witz, den er jetzt erzählen darf), ausgerechnet eine Benefiz-Veranstaltung mit dem Titel »Selbsthilfe gegen Sucht«. Dieser legendäre Abend fand nicht nur in den Wiener Sophiensälen statt (wo Falco auch sein vorletztes Konzert spielte – traurig, traurig – auf der Weihnachtsfeier der Lauda Air), nein, es wird noch wienerischer, sogar in den mittlerweile abgebrannten Sophiensälen.
Falco habe zu ihm, Spiegel, immer gesagt, nur ein toter Künstler sei ein guter Künstler. Mahr hat das noch bessere Zitat parat, ihm nämlich habe Falco gesagt: »Sie werden mich erst lieb haben, wenn ich ganz tot bin.« Die Wiener sprechen lieber über den Tod als über das Leben, das ist bekannt. Also: die Dominikanische Republik, der Unfall, das Ende. Ein schlechter Autofahrer sei Falco gewesen, urlangsam sei er immer gefahren, wenn er nüchtern war. War er bei seiner letzten Autofahrt in Puerto Plata
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