Auch Deutsche unter den Opfern
(Bahnwerbung) – und all das in Bonn. Angela Merkel soll das Verbindungsglied zu Gegenwart und Zukunft verkörpern, das ist schon klar. Was die CDU des Jahres 2009 wirklich noch mit der Konrad Adenauers verbindet, wird Merkel auf dieser Reise so oft betonen, dass man misstrauisch wird. Als sie kürzlich Volker Kauder zum 60. Geburtstag gratulierte, schien das schon passender zur CDU im Jahr 2009. Das Jahr der Jahrestage, Ladies and Gentlemen – Volker Kauder wird 60!
Aber denken wir doch mal an Adenauer, denken wir überhaupt mal an die seligen Gründungsjahre der Republik – wir schließen die Augen und sehen natürlich alles in Schwarz-Weiß: grandiose Parlamentsdebatten, leidenschaftliches und gewitztes Beschimpfen des politischen Gegners; wie geschnitzt die Physiognomien, sogenannte Charakterköpfe, rechts wie links; rasiermesserscharf argumentierend die hochintelligenten Generalsekretäre. Doch öffnen wir die Augen, sehen wir: Ronald Pofalla. Und denken sofort auch an Hubertus Heil und Dirk Niebel. Wir werden aber trotzdem wählen gehen. Angela Merkel steht jetzt auf einer Bühne vor dem Koblenzer Hauptbahnhof, neben ihr in einem Ständer steht eine Klarinette, jederzeit einsatzbereit für das die Kanzlerin umrahmende Zerstreuungsprogramm. Und Ronald Pofalla steht auch da, der Klarinette nicht eben unähnlich.
Die gelernte Naturwissenschaftlerin Merkel wird diese Art Beweisführung zulassen müssen: Um ein unbekanntes Element zu erforschen, kann es hilfreich sein, die Daranheftenden und Drumherumschwirrenden zu definieren. Wenn sie zum stets in ihrer Nähe schleichenden Pofalla blickt, nickt er sofort. Oder schüttelt den Kopf. Was halt gerade gewünscht wird. Seine Größe ist allein durch Unterwerfung bedingt. Der Typus Pofalla wird nicht abgestoßen von Merkel, anders als widerständigere Charaktere.
Was weiß man eigentlich noch aus dem Physik-Unterricht?
Stromstärke = Spannung geteilt durch Widerstand.
Wir haben die Kraft? Sie ist ja allein auf dem Plakat.
Also: Merkel = Steinbrück geteilt durch Seehofer?
Ein paar Tage vor der Rheingold-Express-Fahrt hatte in den Zeitungen gestanden, Horst Seehofer werde die Kanzlerin begleiten an diesem von der CDU so genannten Deutschlandtag ; doch Seehofer ist nicht hier, »Termingründe«, na was denn auch sonst, an seiner statt ist angeblich Alexander Dobrindt dabei – aber wie sieht der noch mal aus? Welcher von all den um Merkel herumwieselnden Männern ist Dobrindt?
Der Koblenzer Bahnhofsvorplatz: Betondepression, die Bundesrepublik der 60er, 70er Jahre. Graue Halbhochhäuser, Neonreklame, der Glaube an Fußgängerzone, Freizeit und Sonntagsbraten. Hobbykeller! Oder auch: Adenauer.
Gerade teilt Merkel den Koblenzern mit, Konrad Adenauer habe Recht gehabt: Soziale Marktwirtschaft, knappe Koalition mit der FDP – andernfalls hätte es keinen Ludwig Erhard gegeben. Noch ein anderes Ereignis jähre sich heute, fährt die Kanzlerin fort: der Zusammenbruch des Bankhauses Lehman Brothers. Nächste Woche werde sie »nach Amerika« fahren, um die Finanzmärkte zu regulieren.
»Die macht ihre Sache doch ganz gut«, ist ein oft gehörter Satz, weniger aus CDU-Kreisen als aus der Anhängerschaft anderer Parteien. Verräterisch genug: »ihre Sache«? Und was ist mit unserer? Klingt da nicht auch immer mit: für eine Frau nicht schlecht? Die aktuelle Neunmalklugen-Süffisanz geht dann so: »Eine differenzierte Haltung zu jemand Indifferentem zu haben, ist nicht so einfach.«
Dass es über Merkel, je länger sie regiert, immer weniger gute Witze gibt, ist auch merkwürdig. Wenn Opposition, Herausforderer und Kommentatoren ihr mangelnde Greifbarkeit vorhalten und quecksilbrige Positionen, klingt das hilflos und beleidigt. Wenn aber den Witzemachern nichts mehr zu ihr einfällt, müssen wir das vielleicht ernst nehmen.
»Aber ich sage auch«, sagt sie oft. Und am Ende hat sie dann, statt selbst einen Standpunkt zu beziehen, alle denkbaren Positionen umrissen, und wir stehen vor ihr und nicken: So einfach ist es nicht.
Die große Rede zur Krise? Sie versteht die Frage gar nicht. Sie erwähnt doch »das mit der Krise« in jeder Rede, oder etwa nicht? Ihre Liebeserklärung an Konrad Adenauer klingt dementsprechend: »Es ist ja bekannt, dass ein Bild von Konrad Adenauer in meinem Büro hängt.«
Sie konfrontiert einen mit nichts, also stößt man an sich selbst – ihre Verweigerung lässt einen hadern, ob man nicht an Politik und zugehöriges Personal eventuell zu
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