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Auch ein Waschbär kann sich irren

Auch ein Waschbär kann sich irren

Titel: Auch ein Waschbär kann sich irren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Borell
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gehämmertes Briefpapier, auf dem nur wenige Sätze standen. Als ich diese Schrift sah, blieb mein Herz sekundenlang stehen.
    »Nicht wahr«, hörte ich Barkley sagen, »da bleibt Ihnen die Spucke weg.«
    Zwei- oder dreimal las ich die wenigen Sätze, ohne ihren Inhalt zu begreifen, dann aber riß ich mich mit Gewalt zusammen und las:

    »Billy, Junge,
    leider wird’s nichts am Wochenende. Ich habe Verpflichtungen, die sich nicht umgehen lassen. Aber wie wär’s denn mit Montag abend? Wenn ich nichts anderes von Dir höre, erwarte ich Dich an unserem Plätzchen. Herzlichst
    J.«

    »Na, mein Herr«, dröhnte mir Barkleys Baß in den Ohren, »wenn Sie mir sagen würden, daß diese Frau fünf erwachsene Männer umgebracht hat, dann würde ich sagen: jawoll, dazu ist sie in der Lage.«
    June hatte diesen Brief geschrieben! June Tresker!
    Ich spürte Barkleys schwere Hand auf meiner Schulter.
    »Nehmen Sie’s nicht so tragisch, mein Herr, in Ihrem Alter findet man Mädchen genug, und zwar bessere als die da...«
    Er schob mir Esthers Zettel verächtlich zu.
    »Ja, ja, natürlich«, antwortete ich zerstreut.
    »Glauben Sie mir, mit der würden Sie nicht glücklich. Ich habe zwar Ihre Schrift noch nicht gesehen, aber das erübrigt sich wohl in diesem Falle. Dürfte ich Sie um die fünf Dollar... oder wollen Sie eins von den Kätzchen mitnehmen? In diesem Falle würde ich Ihnen nur die Hälfte berechnen.«
    Ich stand auf, gab ihm fünf Dollar und kam eigentlich erst wieder richtig zu mir, als ich draußen in der sonnigen Market Street stand.
    June Tresker!
    Mag Steine auf mich werfen, wer will: ich ging in die nächste Kneipe und trank eine Viertelflasche Whisky. Dann fuhr ich mit einem Taxi zur »San Francisco Tribune«.
    Man brachte mich zu Andreo Vespucci. Er saß im zweiten Stock im großen Redaktionssaal. Im Gegensatz zu seinem Namen sah er gar nicht italienisch aus, sondern war blauäugig und blond und nicht viel älter als Bill. Er saß in Hemdsärmeln, den Hut ins Genick geschoben, vor einer Schreibmaschine. Zwischen den schmalen Lippen baumelte eine Zigarette, weshalb er mit schräggelegtem Kopfe seinen Artikel tippte. Neben ihm stand ein freier Stuhl, auf den ich mich setzte.
    »Ich bin James Warner«, sagte ich, »ein Freund von Bill Nicholas. Wir arbeiteten zusammen an der >The News< in Los Angeles.«
    Er nahm die Zigarette aus dem Munde und lächelte mir zu.
    »Freut mich, Mr. Warner. Zufällig hier oder Arbeitssuche? Wie geht’s Bill?«
    »Bill ist tot.«
    Sekundenlang starrte er mich aus zusammengekniffenen Augen an. Schließlich sagte er:
    »Mann, was sagen Sie da? Bill Nicholas ist tot?«
    »Ja. Vor acht Tagen hat ihn jemand die Klippen hinuntergestoßen. Man hat es als Unfall hingestellt, und die Polizei hat nichts unternommen.«
    Er nahm seinen Hut ab, legte ihn neben sich auf den Tisch, drückte seine qualmende Zigarette aus und starrte vor sich hin. Dann drehte er den begonnenen Artikel aus der Maschine, riß ihn durch, warf die Schnitzel in den Papierkorb, nahm seinen Hut und sagte aufstehend:
    »Kommen Sie mit.«
    Wir fuhren mit dem Paternoster hinunter, und erst auf der Straße fragte er:
    »Wissen Sie, wer’s getan hat?«
    »Ich glaube, ja«, nickte ich, »aber erst seit einer halben Stunde. Bill schickte Ihnen einen Brief, und zufällig erwischte ich das Gutachten von Mr. Barkley.«
    »Ich weiß«, sagte Andreo, »er hat mir den Brief geschickt. War es dieses Mädchen?«
    »Ja. Aber es war nicht sein Mädchen.«
    »Nicht?« fragte Andreo erstaunt, »davon schrieb er mir nichts. Er bat bloß, ich solle ihm ein Gutachten über die Schrift besorgen. Aber Bill war doch hart an der Bowlergeschichte?«
    »Ich weiß nichts von dieser Bowlergeschichte«, erklärte ich, »aber er war irgendeiner Sache mit Zeitungsinseraten auf der Spur. Er hat mit einem Privatdetektiv zusammengearbeitet, der kurze Zeit später erschossen worden ist.«
    »Kommen Sie«, sagte Andreo, »kommen Sie mit zu mir nach Hause, ich habe das ganze Material für Bill ‘rausgesucht. Er wollte es haben.«
    Unterwegs fragte ich:
    »Was ist mit dieser Bowlerbande? Ich höre das eben zum ersten Male.«
    »Abwarten«, sagte er, »ich zeig’ es Ihnen gleich schwarz auf weiß, was ich gefunden habe.«
    Andreo Vespucci bewohnte ein möbliertes Zimmer, das modern eingerichtet, groß und luftig war. Er holte einen Packen alter Zeitungen aus seinem Schreibtisch, legte ihn auf den Tisch und sagte:
    »Im Juni 47 ging in Chicago die Bowlerbande

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