Auch ein Waschbär kann sich irren
Menschen, die aus Erfahrungen nichts lernen? Nun gut, dann war ich bestimmt kein Politiker; denn die Erfahrungen der letzten Tage reichten mir bereits.
Da es sehr unwahrscheinlich war, daß ich Mary-Ann heute abend noch treffen würde, erlaubte ich mir ein paar Gläschen Canadian Club, was ich für gesünder hielt als Schlaftabletten.
Als ich schon in den Federn lag, fiel mir ein, daß ich vergessen hatte, Sancho Pansa einzusperren. Mochte er sich diese Nacht seiner Freiheit erfreuen. Mein Gott ja, und ich war doch ein direkter Nachkomme dieses Don Quichotte: auch ich rannte gegen Windmühlen und wunderte mich dann, wenn ich plötzlich auf dem Rücken lag.
Um 4.30 Uhr riß mich der Wecker aus einem tiefen, träumlosen Schlaf. Draußen in den Bäumen hatte das Morgenkonzert der Vögel bereits seinen Höhepunkt erreicht, aber unten auf dem See lag noch ein wenig Nebel. Die Sonnenstrahlen streiften gerade den Giebel meines Hauses.
Als ich zum Bache ging, entdeckte ich ein großes Loch im Boden. Daneben fand ich verstreut ein paar Gräten.
Ich rannte ums Haus, pfiff, rief und suchte Sancho Pansa, bis ich ihn schließlich dort entdeckte, wo ich ihn nie vermutet hätte: Er lag laut schnarchend in seiner kleinen Hütte!
Ich kitzelte ihn wach, um zu sehen, ob er noch gesund war, und als er mich, wütend über die Störung, heftig anblies, war ich beruhigt. Nur ein gesunder Waschbär kann so giftig sein, und der Fisch war es demnach nicht gewesen.
Kurz vor 7 Uhr hinterstellte ich meinen Wagen in der Flugplatzgarage, löste mir einen Flugschein, stärkte mich im Vorbeigehen mit einem ganz schnellen Whisky, und pünktlich um 7.12 Uhr rollte die Maschine über die Startbahn.
Während des Fluges zog ich die Bestätigung aus der Brieftasche, die Esther geschrieben hatte. Ich studierte diese Schrift lange Zeit und fand es, je länger ich auf diese Schriftzüge starrte, desto bewundernswerter, was ein Mann wie Barkley alles daraus lesen konnte.
Die etwas wehmütige Stimmung, der ich gestern abend offenbar verfallen war, hatte sich beinahe ins Gegenteil verwandelt. Nicht, was Esther anbetraf; sie war in meinen Gedanken ein neuralgischer Punkt, und immer noch wäre es mir eine Erleichterung gewesen, wenn sie mir die Anzeige bei der Polizei erspart hätte. Aber ich dachte an Mr. Hazlitt, von dessen Geld ich meinen Flug finanzierte. Schließlich hatte ich ihm versprochen, die Sache mit den Inseraten weiter zu verfolgen, und ich arbeitete sozusagen in seinem persönlichen Auftrag! Es blieb mir also nichts anderes übrig, als mich auch weiterhin mit dieser trüben Geschichte zu befassen, zumal Hazlitt für meine Sentiments sicherlich kein Verständnis haben würde. Ich nahm mir deshalb vor, gleich nach meiner Rückkehr mit June zu sprechen, und mich mit ihr nach dem neuesten Stand der Dinge zu beraten.
Um 9.15 Uhr landete die Maschine in San Franzisko. Ich leistete mir ein Taxi und fuhr zur Market Street.
Barkleys graphologisches Institut war im Souterrain eines Hauses installiert, das zweifellos schon vor dem großen Erdbeben im Jahre 1906 erbaut worden war und das diese Katastrophe überstanden haben mußte.
Der Mann, der auf mein Klingeln öffnete, trug einen violetten Schlafanzug, rotweiße Ringelsocken, aber keine Schuhe, und auf dem Kopf hatte er eine Ledermütze, wie sie bei Autorennen im Jahre 1912 große Mode gewesen waren.
Er hatte ein breites, bärtiges Gesicht, das mich an die Sokratesbüste in unserer Schule erinnerte.
Ich holte, um mich zu legitimieren, seinen Brief aus der Tasche und sagte:
»Guten Morgen, Mr. Barkley. Ich komme aus Los Angeles und wollte Sie um einige Auskünfte bitten.«
Er nahm mir den Brief aus der Hand, brachte ihn nahe an seine kleinen Augen und gab ihn mir zurück.
»Ohne Glas«, sagte er, »kann ich absolut nichts sehen. Kommen Sie herein.«
Er führte mich in ein Zimmer, in dem es von Katzen nur so wimmelte, und schob mir einen wackeligen Stuhl an einem riesigen Tisch zurecht, der in der Mitte des Zimmers stand.
»Setzen Sie sich«, sagte er. »Sind Sie sehr eilig?«
»O nein.«
»Das ist gut, ich bin nämlich noch beim Frühstück.«
Er setzte sich an einen kleineren Tisch, der unter dem hohen Fenster stand, und frühstückte in aller Ruhe weiter.
»Wer hat mich Ihnen empfohlen?« fragte er kauend.
»Mr. Nicholas«, sagte ich.
»Nicholas?« murmelte er, »Nicholas? Ach ja, das ist der interessante Fall. Sind Sie mit ihm befreundet?«
»Ja, sehr sogar.«
»Dann sagen
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