Auch Engel Moegens Heiss
und konzentrierte sich auf die Gesichtsformen. Außerdem konnte sie alle Minderheiten von vornherein ausschließen. Mittels einer Methode, die sie in einem Schnelllesekurs gelernt hatte, begann sie die Seiten zu überfliegen und zunehmend schneller umzublättern, wobei sie ab und zu kurz stockte, um ein Gesicht genauer zu betrachten, bevor sie weitersuchte.
Nach fünfzehn Minuten legte sich Midas ihr zu Füßen, um dringend ein Nickerchen zu halten. Daisy hielt kurz inne, um ihm einen Blick zuzuwerfen, und Jack nutzte die Gelegenheit, um zu fragen: »Möchtest du was zu trinken? Kaffee? Cola?«
»Den Kaffee kann ich nicht empfehlen«, warnte Morrison.
Daisy schüttelte den Kopf. »Nein, vielen Dank.«
Morrison sagte: »Dann lasse ich Sie kurz allein. Ich muss ein paar Anrufe erledigen, aber das mache ich von einem anderen Büro aus. Sobald ich fertig bin, komme ich wieder her.«
Die Minuten verstrichen, durchbrochen nur vom leisen Rascheln der umgeblätterten Seiten. Nach einer Weile erhob Midas sich wieder, und Jack nahm ihn mit nach draußen. Als Jack zurückkam, den Hund an der Leine führend, der herumsprang,
als hätte er eine Großtat vollbracht, sagte er: »Zeit zum Mittagessen. Du brauchst eine Pause.«
»Ich bin nicht hungrig«, meinte sie abwesend.
»Aber ich.«
Sie sah amüsiert auf. »Du hast viermal so viel zum Frühstück gegessen wie ich.«
»Genau darum musst du unbedingt was essen. Wenn ich hungrig bin, musst du es erst recht sein.«
»Bald.« Sie versenkte sich wieder in die Seiten, blinzelte, legte den Finger auf ein Bild und verkündete entschieden: »Da ist einer.«
Auf dem Foto trug der Mann das Haar kürzer, doch die schmierigen Koteletten waren genauso lang, die Haare genauso schmutzig blond, und die Neandertaler-Wülste über den Brauen blieben unverwechselbar.
Jack nahm das Foto kurz in Augenschein, sagte: »Ich hole Morrison«, und verschwand aus dem Büro.
Seufzend rieb sich Daisy die müden Augen. Erst einer von dreien. Obendrein wären die beiden anderen nicht so leicht zu finden, weil sie kein so markantes Gesicht hatten.
Morrison kam eilig zurückgelaufen und warf einen Blick auf das Foto unter Daisys Zeigefinger. »George ›Buddy‹ Lemmons. Den Burschen kenne ich. Wir hatten ihn schon wegen Einbruch, Überfall und Sachbeschädigung dran. Noch so eine Übelkrähe. Normalerweise steckt er zusammen mit … ach, verflucht, wie heißt der andere noch mal?« Er trat in den Flur, und sie hörten ihn über den Gang rufen: »Hey, Banjo, kannst du dich noch an Buddy Lemmons erinnern? Wir hatten ihn geschnappt, nachdem er letztes Jahr das Haus der alten Dame in der Bob Wallace Street auseinander genommen hat. Wie hieß noch sein Kumpel?«
»Calvin … irgendwas mit Calvin.«
»Ach ja, richtig.« Morrison kam ins Büro zurück, »Calvin, Calvin« murmelnd. Er setzte sich an den Computer und tippte
den Namen ein. »Da haben wir ihn schon. Dwight Calvin. War der auch dabei?«
Daisy umrundete den Schreibtisch und betrachtete das Foto auf dem Bildschirm. »Ja«, bekräftigte sie entschieden, als sie den dünnen, dunkelhaarigen Mann mit der großen Nase sah.
»Sind Sie sicher?«
»Ganz sicher. Aber ich habe noch keinen gesehen, der wie der dritte aussieht.«
»Wir würden uns leichter tun, wenn wir Sykes’ Vornamen hätten, aber wir knöpfen uns die beiden Vögel mal vor, und ich tippe, die singen sowieso. Buddy und Dwight halten nicht gern für irgendwen den Kopf hin. Wo werden Sie sich bis dahin aufhalten, Miss Minor?«
»Zu Hause«, antwortete Daisy, aber Jack schüttelte den Kopf.
»Bis die Sache geklärt ist, bringe ich sie in einem Hotel unter, und ich werde keinem Menschen verraten, in welchem - nicht mal Ihnen, Morrison. Wenn Sie Verbindung mit ihr aufnehmen wollen, dann über mein Handy, denn eine andere Kontaktmöglichkeit wird es nicht geben.«
22
»Und wo genau willst du mich hinpacken?«, fragte Daisy, als sie wieder im Auto saßen. »Vergiss nicht, ich habe den Hund dabei.«
»Als könnte ich das je vergessen«, grummelte Jack. »Es gefällt mir gar nicht, dich irgendwo hinzupacken, aber es ist am sichersten so. In manchen Motels sind Haustiere erlaubt. Ich werde mal beim AAA anrufen und mich erkundigen.«
»Ich habe nichts zum Anziehen dabei«, bemerkte sie. »Und auch keine Bücher.«
»Ich werde jemanden zu dir nach Hause schicken, der dir ein paar Sachen einpackt.«
Sie ließ sich das durch den Kopf gehen. »Dann schick Todd. Der weiß, was er
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