Auch Engel Moegens Heiss
aufzutreiben, was Sykes ziemlich nervös machte. In der Bücherei war sie nicht; zu Hause war sie auch nicht. Sie war wie vom Erdboden verschluckt. Wenn sich die Leute ihren Tagesablauf dermaßen umkrempelten, dann lag was in der Luft.
Er rief sogar in der Bücherei an, natürlich von einem Münztelefon aus, falls sie dort eine Anruf-Erkennung hatten - was bei einem öffentlichen Anschluss eher unwahrscheinlich war, aber man konnte ja nie wissen. Seit es diesen verfluchten automatischen Rückruf-Dienst gab, musste er sich sowieso ewig absichern. Er fragte nach Miss Minor. Die Frau in der Bücherei hatte ihm nur verraten, dass Miss Minor heute nicht kommen würde, aber ihre Stimme hatte etwas Angespanntes, Steifes ausgestrahlt, das ihm ganz und gar nicht gefiel.
Na gut, heute würde er diese Minor nicht mehr erwischen. Das war ein Rückschlag, aber keine Katastrophe.
Aber wieso war die Frau in der Bücherei so nervös gewesen?
Eventuell war die Nervosität in der Stimme dieser Frau nur eine Kleinigkeit, aber gerade die kleinen Details konnten einen ganz unerwartet aus dem Hinterhalt anspringen und zu Fall bringen, wenn man sie nicht beachtete und alles abgeklärt hatte. Sein Instinkt sagte ihm, dass es Zeit war, diese Sache abzuklären.
Er rief den Bürgermeister auf dem Privatanschluss an, aber es ging niemand an den Apparat. Noch ein bedenkliches Detail. So wie Sykes den Bürgermeister kannte, hatte der bestimmt geplant, den ganzen Tag im Büro zu bleiben, damit er, nur für alle Fälle, ein wasserdichtes Alibi hatte, wenn Miss Minor verschwand.
Als Nächstes rief er den Bürgermeister auf dem Handy an. Keine Antwort. Allmählich wurde ihm richtig mulmig. Sykes rief beim Bürgermeister daheim an. Beim zweiten Läuten ging Nolan selbst an den Apparat.
»Das mit der kleinen Minor klappt nicht vor morgen«, sagte Sykes. »Ich lasse es für heute gut sein.«
»Sykes! Gott sei Dank!«
Der Bürgermeister klang, als wäre er ganz außer Atem und kurz davor, die Kontrolle zu verlieren, was Sykes ganz und gar nicht gefiel.
»Hören Sie, es gibt Probleme. Wir müssen uns absprechen und gegenseitig Rückendeckung geben. Wenn wir nur eine Weile die Köpfe einziehen, wird sich alles in Wohlgefallen auflösen.«
»Probleme? Was für welche?« Sykes klang ganz sanft.
»Jennifer hat mich belauscht, als ich heute Morgen mit Mr. Philipps telefoniert habe, und die blöde Schnapsdrossel hat in der Bücherei angerufen und sich nach Daisy erkundigt. Daisy war nicht dort, darum hat Jennifer Kendra Owens erzählt, dass ich Daisy Minor umbringen lassen will.«
Scheiße. Sykes kniff sich in die Nasenwurzel. Wenn der Bürgermeister bei seinen Telefonaten nur ein bisschen vorsichtiger gewesen wäre -
»Und was hat Kendra Owens unternommen?« Seine Frage war reine Formsache. Er wusste verdammt gut, was Kendra Owens unternommen hatte.
»Sie hat bei der Polizei angerufen. Nur gut, dass Jennifer so säuft, deshalb wird man ihr wohl kaum glauben, aber wenn Sie Daisy heute erwischt hätten, dann hätte das alle möglichen Fragen aufgeworfen.«
Super. Jetzt waren die Bullen von Hillsboro aufgeschreckt.
»Und noch etwas.«
Es kostete Sykes größte Mühe, ruhig zu bleiben. »Was denn noch?«
»Chief Russo und Daisy Minor sind ein Paar.«
»Und wieso interessiert mich das?«
»Weil ich gestern bei Russo angerufen habe, um das Autokennzeichen abzufragen. Ich habe ihm erzählt, ich hätte das
Auto in der Feuerwehreinfahrt vor einer Arztpraxis stehen sehen. Er weiß, dass ich gelogen habe, weil er weiß, dass sie nicht krank war. Und als er mich zurückgerufen hat, hat er so getan, als würde er Daisy nicht kennen.«
Na toll, also hatte auch der Polizeichef Lunte gerochen. Wieder waren es diese gottverdammten Kleinigkeiten; Nolan hatte einfach zu viele davon ignoriert, und jetzt hatten sie ihn ins Stolpern gebracht. Wenn er den Polizeichef einfach nur gebeten hätte, das Kennzeichen herauszusuchen, ohne irgendeine Erklärung dafür abzugeben, dann würde der Polizeichef jetzt nicht wissen, dass Nolan gelogen hatte. Und überhaupt, warum musste Nolan den Polizeichef persönlich anrufen, um ein Kennzeichen heraussuchen zu lassen? Aber nein, Nolan konnte so etwas nicht von irgendeinem unwichtigen Unterling erledigen lassen; er musste den obersten Chef anrufen und seine Muskeln spielen lassen.
»Ich bin heimgefahren, um Jennifer zum Schweigen zu bringen, aber die bescheuerte Schlampe ist weggefahren.«
»Umso besser. Es würde nicht
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