Auch Pünktlichkeit kann töten: Crime Stories
Markte. Das würde seinem ganzen Charakter widersprechen.«
»Ja, Monsieur Poirot«, sagte Halliday, »ich stecke tief in Ihrer Schuld, und der Scheck, den ich nach dem Essen ausschreiben werde, kann auch nicht annähernd meine Dankesschuld begleichen.«
Poirot lächelte bescheiden. »Der gute Japp soll nur die Lorbeeren ernten. Er ist gerannt, ich habe das Rennen gemacht!«
Köchin gesucht
Als ich mit meinem Freund Hercule Poirot eine Wohnung teilte, pflegte ich ihm die Schlagzeilen des Morgenblattes Tages-Echo vorzulesen.
Das Tages-Echo war ein Blatt, das jede Sensation nach allen Richtungen ausschlachtete. Raub und Mord lauerten nicht verborgen auf den letzten Seiten. Nein, gleich auf der ersten Seite sprangen sie in Riesenlettern dem Leser ins Auge.
BANKBEAMTER MIT EFFEKTEN IM WERTE VON FÜNFZIGTAUSEND PFUND DURCHGEBRANNT. EHEMANN STECKT KOPF IN GASOFEN. UNGLÜCKLICHES FAMILIENLEBEN.
STENOTYPISTIN VERSCHWUNDEN. HÜBSCHES MÄDCHEN. 21 JAHRE ALT. WO IST EDNA FIELD?
»Da hätten wir ja eine ziemliche Kollektion, Poirot. Ein flüchtiger Bankbeamter, ein mysteriöser Selbstmord, ein verschwundenes Tippfräulein – greifen Sie hinein ins volle Menschenleben!«
Mein Freund war in lässiger Stimmung und schüttelte ruhig den Kopf.
»Nichts dabei, was mich besonders reizte, mon ami. Heute bin ich für einen geruhsamen Lebenswandel. Es müßte schon ein sehr interessantes Problem sein, das mich aus meinem Sessel locken könnte. Ich habe nämlich wichtige persönliche Angelegenheiten zu erledigen.«
»Und die wären?«
»Meine Garderobe, Hastings. Wenn ich nicht irre, ist auf meinem neuen grauen Anzug ein Fettfleck – zwar nur einer, aber er ärgert mich zur Genüge. Dann mein Wintermantel – den muß ich unbedingt einmotten. Und ich glaube – ja, ich glaube –, mein Schnurrbart ist zum Schneiden reif, und nachher muß ich mir Pomade aufs Haar schmieren.«
»Ein richtiges Programm!« sagte ich und schlenderte zum Fenster. »Aber ich möchte bezweifeln, ob Sie es durchführen können. Es klingelt nämlich gerade. Sie haben einen Klienten.«
»Nur eine Angelegenheit von nationaler Wichtigkeit kommt heute für mich in Betracht«, erklärte Poirot mit Würde. Im nächsten Augenblick stürmte in unsere stille Häuslichkeit eine korpulente Dame mit krebsrotem Gesicht, die so schnell die Treppe hinaufgeeilt war, daß sie hörbar keuchte.
»Sie sind Monsieur Poirot?« fragte sie ein wenig anmaßend, als sie in einen Sessel sank.
»Ich bin Hercule Poirot, jawohl, Madame.«
»Sie sehen aber gar nicht so aus, wie ich Sie mir vorgestellt habe«, sagte die Dame und beäugte ihn mit einigem Mißfallen. »Haben Sie etwa die Notiz in der Zeitung selbst bezahlt, wo es heißt, was für ein guter Detektiv Sie seien, oder hat die Zeitung es von sich aus gebracht?«
»Madame!« sagte Poirot, während er sich steif aufrichtete.
»Nichts für ungut! Aber Sie wissen doch, wie die Zeitungen heutzutage sind. Da fängt man einen vielversprechenden Artikel an ›Was eine Jungverheiratete Frau ihrer naiven unverheirateten Freundin sagte‹, und dann stellt es sich heraus, daß nur von einem einfachen Haarwaschmittel die Rede ist, das man beim Drogisten kaufen kann. Nichts wie Schaumschlägerei! Aber Sie nehmen mir das doch nicht übel, wie? Ich will Ihnen auch gleich sagen, was Sie für mich tun sollen. Sie sollen mir meine Köchin finden!«
Poirot konnte sie bloß anstarren. Seine sonst so flinke Zunge ließ ihn diesmal im Stich. Ich drehte mich zur Seite, um ein Grinsen zu verbergen, das ich nicht zu unterdrücken vermochte.
»Schuld hat natürlich nur die elende Arbeitslosenunterstützung«, fuhr die Dame unbeirrt fort. »Setzt den Angestellten ’nen Floh ins Ohr. Wollen alle zu hoch hinaus: Vorzimmerdamen werden und, weiß der Teufel, was sonst noch. Schluß mit der Unterstützung, sage ich immer. Ich möchte wissen, was meine Angestellten zu klagen haben – einen Nachmittag und Abend in der Woche frei, dazu jeden zweiten Sonntag, Wäsche aus dem Hause, dasselbe Essen wie wir, kein Stückchen Margarine im Hause, nur die allerbeste Butter.«
Hier machte sie eine notwendige Atempause, und Poirot faßte die Gelegenheit beim Schopf. Er sprach in seiner hochmütigsten Art, indem er sich dabei erhob:
»Ich fürchte, Madame, Sie haben sich geirrt. Die Verhältnisse von Hausangestellten gehören nicht zu meinem Bereich. Ich bin ein Privatdetektiv.«
»Das weiß ich«, sagte unsere Besucherin. »Habe ich Ihnen nicht
Weitere Kostenlose Bücher