Auch Pünktlichkeit kann töten: Crime Stories
Hercule Poirot so einfach loswerden! Als eine Gefälligkeit – eine große Gefälligkeit erkläre ich mich bereit, ihre miserable Drei-Groschen-Angelegenheit zu untersuchen – und sie schütteln mich ab, comme ça! Hier hat unverkennbar Mr. Todd seine Hand im Spiel. Aber ich sage nein – sechsunddreißigmal nein! Ich werde meine eigenen Guineas ausgeben, sechsunddreißighundert, wenn’s sein muß, aber ich will der Sache auf den Grund kommen!«
»Ja«, sagte ich. »Aber wie?«
Poirot beruhigte sich ein wenig.
»Zunächst«, sagte er, »wollen wir in den Zeitungen annoncieren. Warten Sie mal – ja – ungefähr so:
Wenn Eliza Dunn sich mit dieser Adresse in Verbindung setzen will, wird sie etwas zu ihrem Vorteil erfahren. Rücken Sie das in alle nur erdenklichen Zeitungen ein, Hastings. Ich will inzwischen private Nachfragen halten. Gehen Sie, gehen Sie – höchste Eile tut not.«
Vor Abend sah ich ihn nicht wieder. Dann erzählte er mir gnädigst, was er getan hatte.
»Ich habe mich bei Todds Firma erkundigt. Er war am Mittwoch nicht abwesend, und er genießt einen guten Ruf. Soviel über Todd. Nun zu Simpson. Am Donnerstag war er krank und erschien nicht in der Bank, aber am Mittwoch war er da. Mit Davis stand er auf leidlich gutem Fuße. Aber keine besondere Freundschaft. In der Richtung ist anscheinend nichts zu suchen. Nein. Wir müssen uns schon auf die Annonce verlassen.«
Die Anzeige erschien prompt in den wichtigsten Tageszeitungen. Auf Poirots Anordnung sollte sie eine Woche lang täglich erscheinen. Sein Eifer in dieser an sich uninteressanten Angelegenheit der entlaufenen Köchin war ungewöhnlich, aber es war mir klar, daß es für ihn Ehrensache war, bis zum Erfolg auszuharren. Mehrere ungemein interessante Fälle wurden ihm zu dieser Zeit angeboten, aber er lehnte sie alle ab. Jeden Morgen stürzte er sich auf seine Briefe, sah sie aufmerksam durch und legte sie mit einem Seufzer beiseite. Unsere Geduld wurde jedoch schließlich belohnt. Am Mittwoch nach Mrs. Todds Besuch meldete unsere Wirtin eine Person namens Eliza Dunn.
»Endlich!« rief Poirot. »Holen Sie sie schnell herauf. Sofort. Unverzüglich!«
Unsere Wirtin eilte hinaus und führte ein paar Minuten später Miss Dunn ins Zimmer. Der Gegenstand unserer heftigen Verfolgung entsprach der Beschreibung: groß, wohlbeleibt und außerordentlich respektabel.
»Ich komme auf Ihre Anzeige hin«, erklärte sie. »Ich glaube, irgendwo muß ein Durcheinander sein, und Sie wissen vielleicht nicht, daß ich meine Erbschaft bereits angetreten habe.«
Poirot betrachtete sie aufmerksam und schob ihr schwungvoll einen Stuhl hin.
»Ich will Ihnen die Wahrheit sagen«, erklärte er. »Ihre frühere Herrin, Mrs. Todd, war sehr in Sorge um Sie. Sie befürchtete, es sei Ihnen ein Unfall zugestoßen.«
Eliza Dunn schien höchst überrascht zu sein.
»Hat sie denn meinen Brief nicht bekommen?«
»Nichts hat sie von Ihnen gehört.« Er wartete einen Augenblick und sagte dann mit sanfter Überredung: »Erzählen Sie mir doch den ganzen Vorgang, bitte.«
Das brauchte man Eliza Dunn nicht zweimal zu sagen. Sie stürzte Hals über Kopf in eine weitschweifige Erzählung.
»Ich kam gerade zurück am Mittwoch abend und war schon fast beim Hause. Da redete mich ein Herr an. Ein großer Mann mit Bart und Schlapphut. ›Miss Eliza Dunn?‹ fragte er. ›Ja‹, sagte ich. ›Ich habe mich schon bei Nr. 88 nach Ihnen erkundigt‹, fuhr er fort, ›und dort sagte man mir, ich würde Sie hier treffen, wenn Sie nach Hause kämen. Miss Dunn, ich komme extra aus Australien, um Sie aufzusuchen. Wissen Sie zufällig den Mädchennamen Ihrer Großmutter?‹ ›Jane Emmott‹, sagte ich. ›Richtig‹, sagte er. ›Nun, Miss Dunn, Sie mögen vielleicht nie davon gehört haben, aber Ihre Großmutter hatte eine gute Freundin, Eliza Leech. Diese Freundin ging nach Australien, wo sie einen sehr wohlhabenden Farmer heiratete. Ihre beiden Kinder starben sehr jung, und sie erbte den ganzen Besitz ihres Mannes. Vor einigen Monaten ist sie nun auch gestorben, und laut ihrem Testament erben Sie ein Haus in England und eine beträchtliche Geldsumme.‹ Ich war einfach platt!« fuhr Miss Dunn fort. »Dann wurde ich etwas mißtrauisch. Das muß er gemerkt haben; denn er lächelte und sagte: ›Ganz richtig von Ihnen, Miss Dunn, daß Sie auf der Hut sind. Aber hier ist mein Beglaubigungsschreiben.‹ Er reichte mir einen Brief von Rechtsanwälten in Melbourne, Hurst & Crotchet, und
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