Auch sonntags Sprechstunde
denn?«
»Hör auf zu husten. Jedesmal, wenn ich am Einschlafen bin, I weckst du mich wieder auf. Husten, husten, husten.«
»Danke für deine Freundlichkeit.«
»Ein schöpferischer Künstler muß seinen Schlaf haben. Nimm doch etwas Hustensaft.«
»Du weißt, daß ich nicht an Medizin glaube, die ist nur für die Patienten. Aber warte mal, ich hatte doch von Pennys letzter Erkältung noch eine Flasche codeine linctus. Davon werde ich einen Schluck nehmen, wenn du darauf bestehst.«
»Ich bestehe nicht darauf, aber ich bin wirklich sehr tolerant gewesen in zwei schlaflosen Stunden.«
Ich erwischte die Flasche, die auf meinem Nachttisch stand, legte j den Kopf zurück und trank einen Schluck, von dem ich meinte, es
sei ungefähr ein Eßlöffel voll. »Mein Gott«, schrie ich aus dem Bett springend und mit Schaum vorm Mund.
»Was ist denn?« Sylvia machte das Licht an und folgte mir ins Badezimmer.
Ich war grün, konnte nicht sprechen, und es würgte mich. Sie nahm mir die Flasche aus der Hand und las die Aufschrift.
»Oh, Liebling, was tun wir bloß?« Sie füllte ein Glas mit Wasser und sagte: »Trink das.«
Ich trank und füllte meinen Magen, während die Schaumblasen durch das Zimmer schwebten. Es schien Stunden zu dauern, während ich elend und erschöpft auf der Kante der Badewanne saß.
»So etwas!« sagte ich zu Sylvia.
»Nun, es war wirklich nicht mein Fehler.«
»Wessen Fehler denn sonst?«
»Ich ließ die Shampoonflasche draußen stehen, damit sie mich an das Haarwaschen erinnern sollte. Wie konnte ich wissen, daß du es trinken würdest?«
»Ich habe heute früh aber eine Flasche codeine linctus auf den Nachttisch gestellt gehabt.«
Sylvia ließ den Kopf hängen. »Ich habe sie Mrs. Glossop für Arthur mitgegeben.«
Es war sinnlos, weiter darüber zu reden. Ich hatte mich noch nie so elend gefühlt.
»Es war Baby-Shampoon«, sagte Sylvia, als wir in die Betten zurückkrochen. »Das garantiert nicht beißt, wenn es in die Augen kommt.«
Ich drehte ihr den Rücken zu und versuchte verzweifelt Schlaf zu finden. Wie erwartet, läutete in diesem Moment das Telefon.
Ich plapperte etwas in die Muschel.
»Bist du dort, mein süßer Liebling?«
»Hier ist nicht Ihr süßer Liebling, und außerdem ist es drei Uhr nachts. Wenn Sie Ihren süßen Liebling mitten in der Nacht anrufen müssen, dann wählen Sie gefälligst die richtige Nummer.«
»Aber das habe ich doch. Wo ist Herbert?«
»Herbert?« Plötzlich fiel mir Herbert Trew ein, der auf halbem Wege nach Indien war. Er hatte offenbar noch so viel Zeit gefunden, sein Telefon auf meinen Anschluß umzubestellen.
»Hier spricht Doktor Trews Vertreter.«
»Aber ich möchte Herbert persönlich sprechen.«
»Er ist verreist.«
»Das hätte er mir sagen sollen. Das ist doch ein bißchen stark... «
Ich stimmte ihr zu. »Nun also, was ist? Kann ich etwas für Sie tun?«
»Ganz bestimmt können Sie das. Ich habe wieder diese entsetzlichen Schmerzen.«
»Wo?«
»An der üblichen Stelle. Wann können Sie hier sein?«
»Sagen Sie mir erst einmal, wo Sie Schmerzen haben und wie stark sie sind. Vielleicht ist es nicht nötig, daß ich jetzt hinkommen muß.«
»Herbert kommt immer.«
»Aber ich bin nicht Herbert.«
»Nein, aber Sie sind bestimmt auch furchtbar nett. Herbert würde nie einen Vertreter nehmen, der nicht furchtbar nett wäre.«
Ich seufzte. Die Nacht war sowieso beinahe um. »Bitte, wie ist Ihre Adresse?«
Ich schrieb sie auf.
»Sie müssen allerdings ein bißchen suchen, das Haus ist nicht ganz leicht zu finden. Und Sie beeilen sich doch, nicht wahr? Ich kann mich überhaupt nicht mehr bewegen.«
»Und wer wird mir öffnen?«
»Ach, machen Sie sich keine Gedanken, Toto wird aufma-chen.«
»Es klingt wie ein Kapitel aus deinem Buch«, sagte ich zu Sylvia und zog mir die Hose an.
»Was sagst du?«
»Ich sagte, wie aus deinem Buch. Eine junge Frau mit Schmerzen an der >üblichen Stelle<. Du bist eine große Psychologin. Und außerdem scheint sie so etwas wie einen chinesischen Diener zu haben. Und hier, meine ich, endet die Ähnlichkeit.«
Sylvia machte ein Auge auf. »Warum ziehst du dich jetzt mitten in der Nacht an?«
»Oh, schlafe nur weiter, du hast sowieso kein Wort von dem verstanden, was ich gesagt habe.«
Sie seufzte und zog die Bettdecke über den Kopf.
Dieser Teil von London war mir unbekannt. Ich fuhr und fuhr, lachte über die orientalischen Dämonenköpfe in den Schaufenstern der Antiquitätengeschäfte
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