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Auch sonntags Sprechstunde

Auch sonntags Sprechstunde

Titel: Auch sonntags Sprechstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Tibber
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für meine Umtriebe bleiben, ob geheimnisvolle oder andere. Und du kannst aufhören, mich damit aufzuziehen. Vergiß die ganze Sache. Wir Künstler sind sehr empfindlich.«
    »Ich werde aufhören, aber nur unter einer Bedingung«, sagte ich.
    »Und die wäre?«
    »Daß du dir eines von diesen Nachtgewändern bestellst, welches Slinkys Freundin trägt.«
    »Um der Wahrheit die Ehre zu geben«, sagte Sylvia, »ich habe es schon bestellt.«
    Ich machte mir beim Hinuntergehen klar, wie wenig man von den Menschen weiß, selbst von denjenigen, die einem nahestehen. Das Letzte, was ich von Sylvia geglaubt hätte, war, daß sie ein Buch schrieb. Mit dem plötzlichen Gefühl eines unerklärlichen Stolzes auf meine Frau, die man in Kürze die Autorin eines Bestsellers - ganz abgesehen von den Kontaktlinsen und der Möglichkeit, mich dann vielleicht zur Ruhe setzen zu können — sprang ich froh die letzten Stufen hinunter, um mit Robin in der Halle zusammenzustoßen, der allerdings keineswegs froh aussah. Ich folgte ihm ins Sprechzimmer und brannte darauf, ihm trotz meines Schwurs das Allerneueste über Sylvia zu erzählen. Ich summte eine kleine Melodie.
    »Bitte, hör damit auf!« sagte Robin.
    »Was ist denn? Kopfschmerzen?« Ich nahm ein Muster von neuen Kopfschmerztabletten, das der Reisende am Vortage dagelassen hatte, und gab es ihm. »Nimm einige davon. Das einzige, was ich genau weiß, ist, daß sie dich nicht umbringen werden.«
    »Ich hätte sie ihr niemals geben dürfen«, sagte Robin, der die Tabletten übersehen und sich, den Kopf in die Hände gestützt, an seinen Schreibtisch gesetzt hatte. »Es war eine große Dummheit von mir, das zu tun.«
    »Was? Wem?«
    »Diese Tabletten - an Lucy... Gunner.«
    Pötzlich fiel mir das Drama dieses Vormittags wieder ein, das ich durch Margaret Powells Baby fast vergessen hatte.
    »Wie geht es ihr?«
    »Sie wird in Ordnung kommen.«
    »Warum ordnest du nicht E.C.T. an? Du scheinst nicht viel Erfolg mit ihr gehabt zu haben!«
    »Nein, den hatte ich wirklich nicht. Ich halte nichts von E.C.T. für Lucy... Gunner.«
    Er blickte mich mit einem merkwürdigen Ausdruck an.
    »Mach dir nur keine Sorgen. Es sieht dir gar nicht ähnlich, dir die Dinge so zu Herzen zu nehmen. Sie wird in einigen Tagen wieder auf dem Damm sein, und ihr alter Ehemann wird sich Vitaminpillen verschreiben lassen, um auf dem Damm zu bleiben. Wie geht es dem Hawkinschen Baby?«
    »Gut. Sie haben ihn über Nacht im Krankenhaus behalten.«
    »Weißt du, was ich tun werde? Du gehst heute abend in den >Messias<, nicht wahr? Ich werde nach Kevin und Lucy Gunner schauen, wenn die Sprechstunde vorbei ist. Ich habe nichts Besonderes vor.«
    Robin antwortete mir nicht. Die Wartezimmertür wurde mit erschreckender Regelmäßigkeit geöffnet und geschlossen.
    »Du solltest einige Tage ausspannen«, sagte ich zu Robin und dachte dabei an Sylvias Vorschlag, mit den Kindern in den Ferien nach Paris zu fahren.
    Zu meiner Überraschung nahm er den Gedanken auf. »Hättest du nichts dagegen? Ich hatte auch schon an ein bißchen Ausruhen gedacht. Natürlich nicht wochenlang.«
    »Sehr gut. Du mußt doch ganz abgearbeitet sein.« Auf seinem Schreibtisch stand eine Flasche Vitamin-Sirup. »Nimm einen Schluck davon, es wird dir gut tun.«
    Robin nahm ganz offensichtlich seine Psychiatrie zu ernst, diese Niedergeschlagenheit sah ihm gar nicht ähnlich. Ich nahm, um ihn zu ermutigen, einen Schluck, aber er winkte ab und drückte auf den
    Knopf an seinem Schreibtisch, um den ersten Patienten hereinzurufen.
    Mein eigener erster Patient kam mir sehr bekannt vor. Es war ein schickgekleideter »junger« Mann, nun, eigentlich war er schon in meinem Alter, sein Mantel hatte jedoch einen Samtkragen, er trug Handschuhe und einen spanischen Rohrstock, und ein Monokel hing an einer Kette rund um seinen Hals. Ich dachte sofort an die vergangenen alten Tage und blickte beinahe automatisch auf seine Füße, um festzustellen, ob er vielleicht Gamaschen trug, als mir klar wurde, daß er mir bekannt vorkam, außerordentlich bekannt.
    »Guten Abend«, sagte ich.
    »Guten Abend.« Das Monokel wurde ins Auge geklemmt.
    Ich wartete. Er schwieg.
    »Kommen Sie bitte näher. Mein Wartezimmer ist überfüllt. Was wünschen Sie?« Ich konnte mich beim besten Willen nicht erinnern.
    »Sie sind der Doktor?« Ich grunzte. Die Stimme kam mir bekannt vor.
    »Herbert!« sagte ich plötzlich. »Herbert Trew. Was um Himmels willen tust du hier?«
    »Ich komme, dich

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