Auch sonntags Sprechstunde
Sie zufällig eine Zigarette für mich?«
Ich gab ihr eine. Es war das erstemal, daß ich ein Huhn rauchen sah.
Sie legte einen Umschlag auf den Tisch. »Hier. Nehmen Sie den verflixten Bon, ich höre sowieso auf.«
»Dazu besteht wirklich keine Notwendigkeit«, sagte ich. »Auch wenn Sie mich dafür bezahlen, kann ich das Ei jetzt nicht essen.«
Ich öffnete die Tür, und das Huhn warf mir noch einen vorwurfsvollen Blick zu, ehe es den Gartenweg hinuntereilte, als sei der Fuchs hinter ihm her.
Penny zupfte mich am Ärmel.
»Was ist denn nun schon wieder?« fragte ich.
»Telefon für dich. Mrs. Pepperlumps.«
»Nun aber Schluß. Ich habe heute genug von deinen... «
Sie flog die Treppe hinauf. Der Hörer lag neben dem Apparat in der Halle. Ich nahm ihn auf.
»Hallo.«
»Hallo! Ist dort der Doktor? Hier spricht Mrs. Pepperlumps... «
10
Noch lag eine Woche bis zu Robins Rückkehr aus den Ferien und Herbert Trews Rückkehr aus Indien vor mir, und ich fragte mich, wie ich diese sieben langen Tage überstehen würde. Zu allem Überfluß hatte mich meine bewährte Hilfskraft im Stich gelassen. Miss Nisbet, dieses Wunder an Pünktlichkeit, war ausgerechnet heute vormittag, als es mit den Telefonanrufen am wildesten zuging und Sylvia mit ihrem Buch nicht die geringste Hilfe für mich bedeutete, sehr spät gekommen. Schrieb Sylvia nicht wie verrückt, als hinge ihr Leben davon ab, so lief sie wie eine Traumwandlerin durch das Haus, träumte von Kapitel neun oder zehn, oder welches gerade an der Reihe sein mochte, und war deshalb, was die Praxis betraf, nicht zu gebrauchen. Nahm sie Anrufe überhaupt entgegen, vergaß sie häufig, die Hauptsachen zu notieren. Sie, die einst so Tüchtige, übersah die fehlenden Knöpfe an meiner Garderobe, der Speisezettel war eintönig, und die Kinder wurden vernachlässigt. Wies ich sie freundlich - und wie freundlich! - darauf hin, wurde sie augenblicklich wütend und übergoß mich mit einem Schwall beißender Bemerkungen, die meistens mit den Worten schlossen: »Du kannst von einem schöpferischen Menschen nicht erwarten, daß er sich mit alltäglichen Routinefragen beschäftigt.« Ich resignierte und wartete auf den Augenblick, da sie das Wort fin am Schluß unterstreichen würde; falls sie überhaupt bis zu diesem Wort gelangen würde, worüber ich manchmal meine Zweifel hegte.
Selbst Mrs. Glossop, unsere unersetzliche Zugehfrau, war seit ihrem zwangsweisen Aufenthalt in der Toilette nicht mehr die alte. Diese Geschichte war im ungeeignetsten Augenblick passiert, ich hatte eben die Sprechstunde beendet, die Zwillinge waren noch in der Schule, Sylvia war ausgegangen, und Miss Nisbet hatte aus irgendeinem geheimnisvollen Grunde, den sie nicht sagen wollte, gebeten, etwas früher heimgehen zu dürfen.
Ich hatte eine lange Visitenliste, angeführt von einem von Robins Patienten, der mich offenbar dringend benötigte.
»Ich gehe jetzt, Mrs. Glossop«, rief ich nach oben. »Bitte, achten Sie auf das Telefon. Ich rufe in ungefähr einer Stunde an.«
»Einen Augenblick noch, Herr Doktor«, kam die Stimme aus weiter Ferne, »ich habe nicht verstanden, was Sie sagten.«
Ich hörte das Wasser rauschen und wartete.
»Mrs. Glossop!«
»Ja, Herr Doktor?«
»Kommen Sie bitte herunter.«
»Ich kann nicht, Herr Doktor. Irgend etwas stimmt mit der Tür nicht.«
»Stoßen Sie kräftig dagegen«, rief ich und fuhr in den Mantel, »sie klemmt manchmal etwas.«
»Ich hab’s gleich, Herr Doktor.«
»Ist sie offen?«
»Nein, Herr Doktor. Der Schlüssel dreht sich, aber mit der Klinke ist etwas nicht in Ordnung.«
Leise fluchend sprang ich die Treppe hinauf und rüttelte an der Türklinke. Sie funktionierte tatsächlich nicht. Ich schloß die Augen und zählte bis zehn. Mrs. Glossop rüttelte von innen vergeblich.
»Das ist zwecklos, Mrs. Glossop. Die Klinke ist kaputt.« Ich hatte plötzlich eine Idee. »Wie ist es mit dem Fenster?«
»Wie meinen Sie das, Herr Doktor?«
»Können Sie nicht zum Fenster hinausklettern?«
»Soll ich mich etwa zu Tode stürzen?«
»Nein! Nein! Haben wir keine lange Leiter?«
»Doch, ja.«
Ich atmete auf. »Gut. Ich werde sie schnell holen. Ich bin schon spät dran.«
»Aber wir haben sie an Dr. Phoebe ausgeliehen.«
»Was? Die Leiter ausgeliehen?«
»Ja, Herr Doktor. Ihre Dachziegel waren locker.«
Ich erinnerte mich jetzt. »Bleiben Sie«, rief ich völlig überflüssigerweise durch die Tür, »ich werde draußen nachsehen, ob eine
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