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Auch sonntags Sprechstunde

Auch sonntags Sprechstunde

Titel: Auch sonntags Sprechstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Tibber
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Springseil auf, schloß die Tasche schnappend zu und ließ die Bleistiftspitzer auf dem Teppich liegen. Mir war plötzlich ein Einfall gekommen. »Wissen Sie«, sagte ich, »ich glaube nicht an Ihre Schmerzen, und ich muß noch zu einem dringenden Fall.« Meine Gedanken arbeiteten fieberhaft. »Eine alte Dame mit Herzasthma.« Ich holte tief Atem. »Sie wissen schon, sie bekommt keine Luft.«
    »Und was wollen Sie mit ihr anstellen?« fragte sie sanft. »Ihr das Springseil um den Kehlkopf legen?«
    Ich hatte genug und öffnete die Tür. Toto saß still vor mir, in seinen Augen ein böses Funkeln, und blockierte meinen Weg zur Treppe. Ich blieb abwartend stehen.
    »Laß ihn gehen, Toto«, sagte Poppy und griff zum Telefonhörer. »Ich habe mich noch nie für den Geruch von Johnson’s Kinderpuder interessiert.«
    »Shampoon«, berichtigte ich.
    »Shampoon. Wie sexy! Hallo, Larry, mein Engel! Hab dich hoffentlich nicht geweckt, wie...?«
    Zum Frühstück war ich noch immer nicht in Ordnung. Ich schob das Ei beiseite, das Sylvia für mich gekocht hatte, und saß unzufrieden vor dem schwarzen Kaffee.
    Penny kam herein.
    »Geh wieder, sei ein liebes Kind. Ich bin noch so müde.«
    »Du bist doch eben erst aufgestanden.«
    »Ich mußte nachts hinaus.«
    »Etwas Interessantes?« Sie hörten leidenschaftlich gern aufregende Einzelheiten.
    »Eine Nymphomanin. Warum bist du nicht in der Schule?«
    »Nur nachmittags. Schon wieder vergessen?«
    »Ja. Lauf und spiel mit Peter.«
    »Auf dich wartet jemand in der Halle.«
    »Warum sagst du das nicht gleich?«
    »Ich wollte ja.«
    »Wer ist es?«
    »Ein Huhn.«
    »Also Penny« - ich war ärgerlich -, »ich bin nicht in der Stimmung für Scherze. Ich habe dir doch gesagt, daß ich die halbe Nacht unterwegs war. Nun geh schon.«
    »Aber in der Halle ist wirklich ein Huhn!«
    Ich legte den Kopf in meine Hände. »Gut. In der Halle ist ein Huhn.«
    Penny blieb wie angewurzelt stehen. »Es will dich sprechen.«
    »Wer will mich sprechen?«
    »Das Huhn.«
    Ich stand wütend auf. Penny flog aus dem Zimmer, ich folgte ihr<. In der Halle stand ein Huhn. Eine gelbe, ungefähr fünf Fuß große Gestalt in einem hautengen gelben Kostüm mit Schnabel am Kopf und einem gewinnenden Lächeln stand vor mir.
    »Guten Morgen«, sagte die Gestalt mit gekünstelter Fröhlichkeit.
    Ich stöhnte.
    »Ich bin eine Henne vom Eierwerbungsversand. Wie Sie wissen, ist jetzt Frühstücksei-Werbung. Wußten Sie schon, daß Ihr Blutzucker, wenn Sie am Morgen erwachen, niedrig ist und daß Sie sich deshalb so schlecht fühlen... «
    Ich wollte nicht erwidern, daß es das Shampoon war.
    »...  und daß Protein nicht nur aufmuntert, sondern auch während des ganzen Vormittags anhält. Wenn Sie den Tag früh mit einem Ei beginnen, werden Sie den ganzen Vormittag gutgelaunt... «
    Ich hörte, wie sich das Wartezimmer immer mehr füllte, und ballte insgeheim meine Hände zu Fäusten.
    »... verbringen und feststellen, daß Ihre Arbeitskraft und Ihre Energie gestiegen sind. Nach einem richtigen Frühstück kommt Ihr Motor in die richtige Umdrehung, in den richtigen Schwung.«
    Der meine war bereits am Kochen.
    »Es ist außerordentlich freundlich von Ihnen« - ich ging auf die Tür zu —, »berichten Sie dem Eierwerbungsversand, daß ich seine Anteilnahme begrüße.«
    Die Gestalt blieb stehen und hob eine Hühnerhand. »Nur einen Augenblick noch. Jetzt ist Werbungswoche. Falls Sie oder ein Mitglied Ihrer Familie im Moment meines Besuchs etwa gar ein Ei essen, könnten Sie einen Einpfund-Bon gewinnen.«
    »Vati war gerade dabei«, sagte Penny.
    »Halt den Mund, ich war es nicht«, zischte ich ihr zu.
    »Doch, es ist wahr. Dort drin steht das Ei.«
    Das Huhn ging ins Frühstückszimmer, auf dessen Tisch das noch unberührte Ei stand.
    »Wenn Vati anfängt, das Ei zu essen, kann er dann einen Pfund-Bon gewinnen?«
    Ich schloß die Augen. »Ich habe nicht die Absicht, das Ei zu essen, und du weißt... «
    »Erzählen Sie mir doch nicht, daß Sie ein Frühstücksei-Verächter sind«, sagte das Huhn.
    »Und sagen Sie mir«, fuhr ich sie wütend an, »ob Sie schon einmal ein Huhn gesehen haben, dem der Hals umgedreht worden ist?«
    Das Lächeln verschwand, und auch die verstellte Stimme fand zu einem natürlichen Ton zurück.
    »Schon gut, schon gut, ich gehe.« Sie seufzte, und ihre Federn schienen zusammenzufallen. »Ich mache heute sowieso Schluß. Ich muß zu früh aufstehen, und meine Füße tun entsetzlich weh. Haben

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