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Auch sonntags Sprechstunde

Auch sonntags Sprechstunde

Titel: Auch sonntags Sprechstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Tibber
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ihn jedesmal zu sich rief, sobald ihr Mann geschäftlich weggegangen war. Sie sagte nur zu seiner Sprechstundenhilfe, daß sie ihre »üblichen Schmerzen< habe, das war das Stichwort dafür, daß sie allein war. An einem Morgen, als er wieder einmal seine Sprechstunde in rasender Eile abgehalten hatte, landet er schließlich im Hause dieser Frau. Er ruft: >Wo bist du, Liebling...?<«
    »Aber wie kam er denn ins Haus?«
    »Unterbrich mich nicht. Sie ließ die Tür angelehnt. Wo war ich...?«
    »Ja: Wo bist du, Liebling...?«
    »O ja, er ruft nach oben: >Wo bist du Liebling?<, und sie ruft hinunter: >Im Bett, und die Schmerzen sind entsetzlich^ und da nimmt er fünf Stufen auf einmal... «
    »Fünf! Das ist physisch unmöglich!«
    »Es sind sehr flache Stufen... Ach, halt doch mal den Mund! -und stößt die Schlafzimmertür auf, und da liegt sie in einem dieser Négligés, wie sie diese Versandhäuser liefern... Und er stellt seine Tasche hin... «
    »Warum hat er die denn mitgenommen?«
    »Wegen der Nachbarn, du Dummer, und wirft sich in einem wilden Lustanfall auf ihr Bett... «
    »Weiter!«
    »Und da läutet das Telefon, und sie hält ihn fest und sagt: >Laß es läuten, Slinky, mein Liebling.< Sie nennt ihn nämlich Slinky. Aber er sagt: >Nein, es könnte meine Sprechstundenhilfe seins denn die weiß, wo sie ihn finden kann. Sie wird auch hier und da von ihm liebkost... «
    »Er muß enorm potent sein... «
    »Oh, das ist er, ja, enorm. Er geht also zum Telefon, und sie sagt, daß ein Kind von einer Biene gestochen worden sei und er sofort hinfahren möchte. Aber er sagt: >Nein, das ist unmöglich, ganz unmöglich jetzt im Augenblick, ich bin entsetzlich beschäftigt^ und sie solle das der Mutter sagen, die soll inzwischen etwas Essig auf den Stich streichen, oder Bikarbonatsalbe - ich kann mir nie merken, was - und legt den Hörer auf. Unglücklicherweise war die Sprechstundenhilfe nicht so hell wie zärtlich, sie vergaß, ihm zu sagen, daß der Bienenstachel noch in des Kindes Zunge saß, und während er munter seine Zeit vertändelte, schwoll des Kindes Zunge an, und es war dem Ende nahe.«
    »Ich muß schon sagen,« warf ich ein, »daß ich dich mit anderen Augen betrachte. Ich hätte nie geglaubt, daß in deinem kleinen Kopf eine solche Phantasie steckt.«
    »Du kennst mich überhaupt erst zum Teil«, sagte Sylvia geheimnisvoll und biß mich heftig ins Ohr.
    In diesem Moment läutete das Telefon. »Also, wäre ich jetzt Dr. Nachtschatten, würde ich das Läuten einfach ignorieren.«
    »Du bist es aber nicht.« Sie stand auf und nahm den Hörer ab.
    »Mrs. Purdy. Sie ist gerade aus dem Krankenhaus heimgekommen und hat Schwierigkeiten mit der Ernährung des Babys.«
    »Sag ihr, sie soll während der Sprechstunde anrufen. Das ist schließlich kein dringender Fall.«
    Sylvia legte ihre Hand über die Muschel: »Nur zu deiner Information: es ist bereits Sprechstundenzeit!«
    Ich seufzte - noch immer war ich mit den Morgenvisiten nicht fertig - und übernahm den Hörer. »Ja, Mrs. Purdy?«
    »Ich habe Schwierigkeiten mit der Kleinen, Herr Doktor. Sie verliert an Gewicht und nimmt keine Nahrung an.«
    »Was geben Sie ihr denn?«
    »Trockenmilch, wie Sie gesagt haben. Sie gaben mir für den Anfang eine Dose.«
    »Wieviel geben Sie ihr?«
    »Alle vier Stunden vier Unzen.«
    »Das müßte richtig sein. Was könnte denn dann die Schwierigkeit sein?«
    »Nun, Herr Doktor, jedesmal wenn sie den Mund öffnet, bläst sie die Trockenmilch vom Löffel.«
    Ich war schon zu lange Arzt, um noch darüber lachen zu können, sogar wundern konnte ich mich nicht mehr.
    »Mrs. Purdy«, sagte ich langsam und betont: »Wenn Sie die Gebrauchsanweisung auf der Dose lesen, werden- Sie sehen, daß das Milchpulver in Wasser aufgelöst werden muß. Diese Flüssigkeit müssen Sie dann in eine Flasche umfüllen, welche Ihre Kleine dann mit einem Schnuller trinken wird, der die richtige Größe für die Flasche haben muß.«
    Mrs. Purdy, überwältigt von meiner Brillanz, dankte mir zutiefst und machte sich auf, ihr unglückliches Kind zu füttern.
    »Nun, Mrs. Nachtschatten... «, sagte ich zu Sylvia.
    »Nenn mich nicht so.«
    »Wenn es tatsächlich Zeit für die Sprechstunde ist, werde ich mich jetzt fertig machen, während du mit deinen geheimnisvollen Umtrieben fortfahren kannst.«
    »Mit einem hungrigen Pfadfinder und Penny, die Essen braucht, und mit dir, der du zweifellos heute abend ein warmes Essen wünschst, wird mir keine Zeit mehr

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