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Auch sonntags Sprechstunde

Auch sonntags Sprechstunde

Titel: Auch sonntags Sprechstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Tibber
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schielen.
    »Meinst du, daß wir noch mal haben dürfen?« flüsterte Penny.
    Ich sah, wie Peter sie anstieß. »Hast du denn nicht auf der Karte gesehen, wie teuer das ist?«
    Ich versuchte, Madame la Baronne in eine Unterhaltung zu ziehen.
    »Aber greift doch zu, Kinder«, sagte sie, »es ist ja schließlich da, um gegessen zu werden, und obendrein die beste mousse au chocolat in ganz Paris. Übrigens hat der Empfangschef mir eben erzählt, daß ihr in wenigen Minuten die berühmteste Filmdiva der Welt mit Gatten sehen könnt. Sie haben den Tisch rechts neben euch reservieren lassen.«
    Wiederholt und überschwenglich hatte Madame mir für meine Hilfe während des Flugs gedankt. Ihr Herz, sagte sie, sei erschreckend und gebe Anlaß zu den schlimmsten Befürchtungen.
    . »Das arme Herz«, sagte sie, »ist eben müde geworden. Es hat ja auch lange genug geschlagen.«
    Begleitet vom Personal des Restaurants, wurde soeben das berühmte Filmehepaar eingeholt. Sie trug einen primelgelben Mantel, und ihr ebenso berühmter Gatte folgte ihr mit vier Schritten Abstand.
    Sogar ich war erregt, in der Nähe von Menschen zu sein, die es gewöhnt waren, sich von der Filmleinwand herunter bewundern zu lassen. Sie hatte eine makellose Porzellanhaut, auf der sich weder eine Falte noch Linie zeigte.
    »Wahrscheinlich«, flüsterte Madame la Baronne mir zutraulich ins Ohr, »benötigt sie mindestens zwei Stunden täglich für ihr Make-up.«
    Ihr chignon war hoch aufgetürmt, und sie las die Menükarte, ohne das Gesicht zu verziehen. Sie sah sehr, sehr schön aus, und ihr überaus maskulin wirkender Gatte bot den vollkommenen Rahmen für sie.
    »Ob wir sie um Autogramme bitten dürfen?« fragte Penny. »Sonst glaubt mir doch niemand, wenn ich wieder in der Schule bin.«
    »Aber gewiß. Deshalb zeigen sie sich ja in der Öffentlichkeit.«
    Etwas säuerlich schrieben sie ihre Namen auf die Menükarten der Kinder; er fragte, ob sie Amerikaner und warum sie nicht in der Schule seien. Angefüllt mit chocolate mousse und im Anblick der Berühmten war ein Höhepunkt ihres Glücks erreicht.
    Nach einem gemütlichen Kaffee verabschiedeten wir uns von unserer reizenden Gastgeberin, die mir nochmals dankte, daß ich ihr das Leben gerettet habe. Sie gab mir ihre Adresse, für den Fall, wir kämen wieder einmal nach Paris. Ich hätte nicht schwören mögen, ob sie dann noch am Leben sein würde. Zum Abschied küßten wir uns, und dann fuhr sie zurück in ihre Wohnung in der Avenue Foch und wir zum Hotel, um unser Gepäck zu holen.
    »Ein schöner Abschluß dieser schönen Woche«, sagte Sylvia. »Nun, Kinder, was hat euch am besten daran gefallen?«
    »Das Spiegelkabinett«, sagte Penny wie aus der Pistole geschossen und begann im Gedanken daran zu kichern.
     

18
     
    Unmerklich war der Frühling dem Sommer gewichen. Wir mußten größere Kittel für Miss Nisbet kaufen, und Lucy Gunner wurde, zu Robins Verzweiflung, wieder depressiver. Er haßte Fehlschläge in seiner Behandlung. Im übrigen aber blieb alles beim alten. Die Patienten kamen und gingen, starben, wanderten aus oder wurden von der Armee eingezogen. Sylvia verlor ihre Kontaktlinsen im Garten, im Wagen, im Bett und im Curzon-Kino. Ihr Buch sollte im Herbst erscheinen, und sie schrieb bereits an einem neuen. Allerdings, nachdem sie das Geheimnis nun gelüftet hatte, nicht mehr im Badezimmer, sondern am Eßzimmertisch.
    Mittsommernacht fiel auf einen Sonntag. Es war der Tag, zu dem die Trillings eingeladen hatten, und er wird mir, solange ich lebe, unvergeßlich blieben.
    »Sylvia, meinst du wirklich, daß wir hingehen müssen?« fragte ich, auf die Trillingsche Einladung deutend. »Ich bin wirklich sehr beschäftigt und habe außerdem Bereitschaftsdienst.«
    »Du weißt ganz genau, daß Robin dich heute nacht vertreten wird. Er hat nichts weiter vor. Außerdem weißt du ebenso genau, daß ich bereits ein Kostüm habe.«
    »Ja. Aber ich nicht.«
    »Das ist deine eigene Schuld, und du wirst dich eben langweilen müssen. Du bist wirklich ein Spielverderber.«
    »Ich verstehe dich nicht, weshalb du den Kern der Sache umgehst.«
    »Das tue ich doch gar nicht.«
    »Ich finde es wirklich nicht nett von dir.«
    »Du könntest immer noch mein Dalek-Kostüm anziehen«, sagte Peter.
    »Es sollen historische Kostüme sein.«
    »Es wäre dir vielleicht sowieso zu eng.«
    Meine Dankbarkeit Sylvia gegenüber, die es fertiggebracht hatte, mich für die Pariser Reise herumzukriegen, war grenzenlos. Ich

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