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Auch sonntags Sprechstunde

Auch sonntags Sprechstunde

Titel: Auch sonntags Sprechstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Tibber
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verzerrtem Birnenkopf auf Streichholzbeinen vor ihnen im Spiegel stand. Sie lachten, bis sie nicht mehr konnten, mußten sich gegenseitig vor Gelächter stützen, die Tränen rollten über ihre Gesichter, sie wollten immer wieder und wieder hinein. Da hatte ich einen glänzenden Vorschlag: Tee.
    Wir waren vor Sylvia schon im Hotel, die mit Paketen beladen ankam und keinesfalls lächelte, als ich sie fragte, ob sie auch einen weiteren Koffer mitgebracht habe.
    Die Kinder waren so müde, daß wir beschlossen, sie nur noch etwas essen und dann gleich schlafen zu lassen. Wir bestellten ein leichtes Abendessen für sie und gingen dann, zum erstenmal, allein aus.
    Wir hatten einen Tisch in einem berühmten Restaurant am Place des Vosges reservieren lassen.
    »Die reinste Erholung«, sagte Sylvia, »einmal ohne die Kinder.«
    Ich ergriff ihre Hand. »Wie Flitterwochen!«
    Wir mußten dreißig Minuten warten, bis die Vorspeise serviert wurde.
    »Zu Hause wird in einem Drittel dieser Zeit gegessen, abgewaschen und aufgeräumt. Wir sollten wirklich öfters mal Ferien machen. Du siehst schon viel besser aus.«
    »Und du erst! Es macht dir sicherlich kein Vergnügen, ich meine, diese verrückte Hetze, in der wir zu Hause leben.«
    »Früher hat es mir nichts ausgemacht. Aber vielleicht werde ich doch älter. Wenn mein Buch ein Erfolg wird, engagiere ich eine Köchin oder ein Hausmädchen, damit ich keine ausgemergelte alte Hexe werde.«
    »Das wirst du ganz bestimmt nicht.«
    »Hast du schon einmal bemerkt, daß wir zu Hause keine Zeit finden, dazusitzen und uns zu unterhalten? Nur über Alltägliches, glaube ich. Entweder gibst du mir irgendwelche Aufträge oder ich dir, und nachts schlafen wir wie die Toten.«
    »Bist du denn unglücklich?«
    »Keine Zeit dafür. Nur ab und zu beunruhigt.« Sylvia lächelte. »Denkst du daran, dich bald zurückzuziehen?«
    Arm in Arm schlenderten wir durch die Straßen von Paris, unserem Hotel entgegen.
    »Es duftet zauberhaft«, sagte Sylvia. »Bist du froh, daß wir hergefahren sind?«
    »Du denkst immer an die richtigen Dinge. Ich habe keinen Gedanken an Mrs. Finch, Mrs. Hawkins oder die Gunners verschwendet, es ist, als gäbe es sie gar nicht. Nur an Paris und uns.« Wir küßten uns unter einer Straßenlaterne wie Verliebte, und wie Verliebte gingen wir zu Bett.
    Am Morgen, als das Zimmermädchen Le Figaro brachte, übergab sie mir einen an uns adressierten, durch Boten zugestellten Brief.
    Ich wendete ihn neugierig um. »Aber wir kennen doch hier keine Menschenseele? «
    Sylvia gähnte. »Vielleicht Reklame für Parfüm mit Rabatt, oder Karten für eine Modeschau?«
    Es war weder das eine noch das andere. Der Brief kam von der alten Dame, die im Flugzeug den Herzanfall gehabt hatte. Ihrem in tadellosem Englisch gehaltenen Brief war zu entnehmen, daß sie sich wieder völlig von dieser Herzattacke erholt und unsere Adresse durch die Luftfahrtgesellschaft ausfindig gemacht hatte. Sie lud uns, um ihre Dankbarkeit zu erweisen, alle zum Essen in eines der berühmtesten Pariser Restaurants für den nächsten Tag ein.
    »Was für ein netter Ferienabschluß«, sagte Sylvia. »Ich habe früher als Studentin einmal dort gegessen. Es ist einfach phantastisch, und meistens sieht man dort berühmte Filmstars. Die Kinder werden überschnappen.«
    Die Kinder indessen waren von dem Gedanken, in einem so berühmten Restaurant essen zu sollen, keineswegs begeistert.
    Penny wollte wieder ins Spiegelkabinett, und Peter konnte die alte Dame nicht leiden, da er Leute, die eine Neigung zum Blauwerden hatten, ablehnte.
    Als wir sie zur verabredeten Zeit trafen, trug sie einen kecken Hut, und nur ihre Augen waren blau. Obgleich sie fast achtzig sein mußte, hatte sie die Haut einer Vierzigjährigen. Sie hielt sich gerade und strahlte große Würde aus. Sie empfing uns mit der Haltung der Noblesse, und mit ihrem natürlichen Charme gelang es ihr, die ersten peinlichen Minuten des Kennenlernens zu überwinden. Der Maître d’hôtel nannte sie Madame la Baronne, und ich warf vorsichtshalber einen warnenden Blick zu Penny und Peter, um sie nochmals an ihre gute Erziehung zu gemahnen.
    Wir speisten Cod’s Roe Paté und Sauté Beef Chasseur. Zum Nachtisch schlug Madame mit einem Blick auf die Kinder mousse au chocolat vor. Eine Schüssel, die für ein ganzes Regiment ausgereicht hätte, wurde vor sie hingestellt. Mit unglaublicher Schnelligkeit verschlangen sie enorme Portionen, um dann erneut nach der Schüssel zu

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