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Auch sonntags Sprechstunde

Auch sonntags Sprechstunde

Titel: Auch sonntags Sprechstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Tibber
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Flughafenbus fuhren wir in die Stadt und dann mit einem Taxi weiter zum Hotel, einem bescheidenen, aber modernen, sauberen Haus, das uns empfohlen worden war. Es war erst neun Uhr früh.
    »Weißt du, laß jetzt das Auspacken sein«, sagte ich zu Sylvia, als wir in unserem gemeinsamen Schlafzimmer waren. »Wir wollen ein bißchen herumschlendern und irgendwo in der Sonne frühstücken. Das können wir nach diesen letzten Tagen brauchen.«
    Die Kinder waren im Nebenzimmer untergebracht.
    »In unserem Badezimmer ist eine Fußbadewanne«, sagte Peter, »und außerdem noch eine Badewanne und ein Waschbecken.«
    »Und«, sagte Penny, »wir haben ein Doppelbett.«
    Wir schlenderten die Rue Madeleine im Sonnenschein entlang, meine Sorgen fielen langsam von mir ab, und damit die Praxis und die Patienten, die schließlich am Horizont verschwanden.
    Hier war ein verlockend aussehendes Café mit Tischen draußen. »Das ist richtig«, sagte ich zu Sylvia, und wir ließen uns an einem Tisch nieder.
    Ich bestellte vier cafés complets, und der Kellner verschwand wie der Blitz.
    »Was hast du bestellt, Vati?« fragte Penny.
    »Frühstück. Bist du nicht hungrig?«
    »Total verhungert. Aber wo frühstücken wir denn eigentlich?«
    »Hier.« Ich deutete auf den Tisch, auf dem der Kellner jetzt ein frisches weißes Papiertischtuch ausbreitete.
    »Hier auf der Straße?!«
    »Jawohl.«
    Sie deutete auf die Vorbeigehenden, einige in ihren besten Sonntagsanzügen.
    »Hier, wo uns alle Leute zuschauen?«
    »Ja.«
    »Na, das finde ich geschmacklos.«
    Nach dem anfänglichen Schock, den Essen und Trinken auf der Straße ausgelöst hatten, begannen sie bald mit der Umgebung vertrauter zu werden. Sie entdeckten, daß man Briefmarken im Tabakkiosk kaufte und die Briefe in blaue Kästen warf, die an den Hauswänden angebracht waren. Sie gewöhnten sich daran, daß sie nummerierte Karten aus den Automaten zogen und sich in der Reihenfolge dieser Nummer an der Bushaltestelle anstellten.
    Wir gingen, wie Sylvia geplant hatte, auch zum Vogelmarkt und bewunderten in der exotischen Abteilung die winzigen, regenbogenfarbenen Vögel. Peter wollte einen Kanarienvogel kaufen und Penny eine Taube, verschlossen sich aber unserem Einwand nicht, daß diese Einkäufe leider recht unpraktisch seien.
    Wir verlebten eine unvergeßliche Woche.
    Wir standen vor der Venus von Milo, und Sylvia kam Penny zuvor, indem sie beim Hingehen zu ihr sagte: »Ich weiß, daß sie keine Arme hat, Liebling.« Wir stiegen die hundert Treppen zur Sacre Coeur hinauf. Penny beklagte sich bitterlich, wie weh ihr die Beine täten und daß sie sich schwindlig fühle, und Peter fragte, ob er die zweitgrößte Glocke von Paris läuten dürfe, die nur zu hohen Festen und Staatsbegräbnissen zu hören war.
    Jeden Morgen standen wir früh auf, gingen über den bunten Blumenmarkt, der am Ende unserer Straße lag. Jeder Tag war voller Sonnenschein. Wir sahen Paris, das wir seit unserer Hochzeitsreise nicht mehr besucht hatten, mit den Augen unserer Kinder. Wir fuhren die Seine auf dem Bateau Mouche hinunter, stiegen auf den Eiffelturm, wo Peter zu wissen wünschte, warum alle Leute im Fahrstuhl englisch sprachen, und Penny sagte wieder, sie fühle sich schwindlig. Wir aßen in Montmartre zu Mittag, wir fuhren Boot auf den Tuilerien-Teichen, besuchten das Wachsfigurenkabinett, bewunderten Versailles und picknickten in Malmaison.
    Gegen Ende der Woche sage Sylvia, daß sie uns, wie vorgesehen, einen Tag allein lassen würde, und Penny, Peter und ich besichtigten den Jardin d’Acclimatation. Die Kinder fuhren in einem winzigen Boot, das von einem Wasserrad angetrieben wurde, sahen den ballspielenden Affen zu, stopften sich mit Süßigkeiten und Eiswaffeln voll und wirbelten auf einem Flugzeugkarussell herum, das begleitet wurde von den Schreien und Zurufen der wartenden Eltern: »Boris, attention, hein!«
    » Marie, monte encore!«
    »O la-la«, »Bravooooo!«, und von den Geräuschen der Sirenen, Glocken und Trommeln, ein Lärm, der genügte, um taub zu werden. Die Flugzeuge, deren Sicherheit mich nicht recht überzeugt hatte, gingen langsam herunter, die Kinder stiegen aus, Penny mußte sich prompt hinter den Büschen übergeben. Dann gingen wir gemeinsam in das Spiegelkabinett. Das war der große Augenblick des Tages. Ich konnte die beiden kaum wieder herausbringen, so herrlich fanden sie es, sich selbst und ihren gestrengen Vater zu betrachten, der x-beinig und rundköpfig oder mit

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