Auch wir sind Deutschland: Ohne uns geht nicht. Ohne euch auch nicht. (German Edition)
Ich sagte Berlin und er meinte, dass er lange Zeit in Düsseldorf gelebt habe. Ich wollte von ihm wissen, wo es ihm besser gefalle, in New York oder in Deutschland, und eigentlich ist die Frage ja bescheuert, weil – na klar ist New York geiler. Zumindest geiler als Düsseldorf. Die Antwort, die er mir gegeben hat, war trotzdem überraschend. Er meinte nämlich, dass New York brutal hart sei, unheimlich teuer und dass er tatsächlich drei Jobs haben müsse, um dort zu überleben. Trotzdem würde er immer wieder dorthin ziehen, weil er sich in Deutschland nie richtig wohlgefühlt habe, was unter anderem daran liegen würde, dass man sich als Ausländer dort niemals zugehörig fühlen würde, oder wie er es sagte: »In New York, egal, ob Ausländer – du bist Amerikaner. In Deutschland, egal, ob ein Tag Ausländer oder zwanzig Jahre Ausländer – immer Ausländer.«
Wer nach New York kommt, merkt bald, dass es dort grundsätzlich egal ist, ob du aus Pakistan oder Italien stammst, aber auch hier darf man nicht den Fehler machen und New York City mit dem Rest von Amerika gleichsetzen, denn auch die USA haben ihr Hinterland, in dem die Menschen wenig fortschrittlich sind.
Ein großes Problem für die Menschen in Siegen und für alle anderen, die mit Fremden Schwierigkeiten haben, ist, dass sie immer noch an den biologischen Deutschen glauben. Das liegt zum einen an dem vollkommen veralteten deutschen Abstammungsrecht, nach dem nur der Deutscher ist, wer deutsches Blut hat. Mit der doppelten Staatsbürgerschaft für Kinder von Einwanderern wurde diese Rechtsauffassung ein wenig entschärft und so können nun auch diejenigen Deutsche werden, die hier in Deutschland geboren werden, obwohl ihre Eltern keine Deutschen sind. So etwas war bis vor 15 Jahren gar nicht möglich und das führte zu dem seltsamen Ergebnis, dass Russlanddeutsche, die kein Wort Deutsch sprechen konnten, als Deutsche galten, weil sie deutsche Vorfahren hatten, wohingegen hier geborene und aufgewachsene Kinder von Einwanderern, die gut integriert waren, Ausländer bleiben mussten. Dieses Blutrecht setzte sich in den Köpfen der Leute fest, und wie man immer wieder sieht, lebt es dort auch weiter. Der sieht halt nicht deutsch aus, also ist er auch nicht deutsch. Die sind genetisch nicht deutsch, dann sind sie auch keine Deutschen und es ist auch egal, ob sie einen deutschen Pass haben oder nicht, ob sie die Sprache sprechen oder nicht. Die sind nicht deutsch.
Ich selbst sehe es oft in den Gesichtern, wie sich die Leute halb mitleidig, halb von oben herab denken: »Na, wenigstens kann er Deutsch.« Wenn ich zum Beispiel einen Taxifahrer auf Berlinerisch frage: »Wie sieht’s denn aus, krijen wir hier noch wat zwischen die Kiemen?«, dann lacht der erst mal, weil er diese Volkstümelei von mir nicht erwartet hätte, und dann muss man zwei Minuten ungewolltes Lob entgegennehmen: »Det hat mir jetzt jefallen, wat de jesacht hast.« Das ist dann so, wie wenn dir einer über den Kopf streichelt und dir sagt, dass du das jetzt aber fein gemacht hast. Das ist schon sehr befremdlich, auch wenn das meistens gar nicht fremdenfeindlich gemeint ist. Man merkt trotzdem, dass dieses Aus- und Abgrenzungsdenken nach wie vor sehr tief verwurzelt ist. Dabei ist es doch so einfach. Wenn du Deutscher bist, dann sei doch Deutscher, und wenn du Deutscher bleiben willst, dann bleib doch Deutscher. Ist ja gar kein Problem. Der andere neben dir ist halt kein Deutscher. Auch kein Problem. Trotzdem leben wir gemeinsam in diesem Land, und da ich einen deutschen Pass habe und die meisten meiner Kumpels auch, werden wir nicht irgendwohin gehen, wo angeblich unsere Heimat ist. Nein, meine Heimat ist hier und schwierig wird es erst dann, wenn hier nur Menschen leben dürfen, die deutsch aussehen, deutsche Vorfahren haben und so deutsch denken, wie es sich der rechtschaffene Deutsche vorstellt. Da es in Deutschland dann aber sehr leer und einsam werden würde und ein bisschen traurig, so traurig wie in Siegen, wollen wir uns das gar nicht wünschen. Denn auch wenn die Mehrheit der Deutschen auf dem flachen Land lebt und ich selbst schlechte Erfahrungen in der Provinz gesammelt habe, möchte ich jetzt trotzdem nicht ein ganzes Volk verurteilen.
Abgesehen davon, wollen wir aber auch nicht so werden wie die Kanadier. Dass die korrekt sind, kann ich mir gut vorstellen, aber wer will schon immer nur korrekt sein?
Gute Ausländer – schlechte Ausländer
Wenn in Deutschland vom
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