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Auch wir sind Deutschland: Ohne uns geht nicht. Ohne euch auch nicht. (German Edition)

Auch wir sind Deutschland: Ohne uns geht nicht. Ohne euch auch nicht. (German Edition)

Titel: Auch wir sind Deutschland: Ohne uns geht nicht. Ohne euch auch nicht. (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anis Mohamed Youssef Ferchichi , Marcus Staiger
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jeden Tag so erlebe. Ich sage das, weil ich Berliner bin und weil die Menschen in Berlin so sind, und man kann sich eben gar nicht richtig vorstellen, dass die Leute in anderen Orten ganz anders drauf sind, bis man es selbst erlebt hat.
    Vor einiger Zeit war ich in Siegen, und das war die schlimmste Deutschlanderfahrung meines Lebens. Ich dachte, so etwas gibt es heutzutage gar nicht mehr, aber da habe ich wieder einmal gemerkt, dass meine Freunde Hassan, Sinek, Abdul und nicht zuletzt ich, dass wir hier, in diesem Land, nicht immer so willkommen sind, wie wir immer denken.
    Normalerweise bin ich nur in Großstädten unterwegs, in Städten wie Berlin, Hamburg, München, Stuttgart, Düsseldorf, Köln und vielleicht ab und zu mal in Dresden. Das sind alles Städte, die Verkehr gewohnt sind, die Fremde gewohnt sind, die eine gewisse kulturelle Vielfalt bieten – und auf einmal lande ich in Siegen, und zwar richtig. Oft ist es ja so, dass wir auf unseren Konzerttourneen von den Städten, in denen wir spielen, gar nichts mitbekommen. Tourbus auf, rein in die Halle, Konzert spielen, raus aus der Halle, zurück in den Bus, fertig. Diesmal war es aber anders und wir mussten ganze zwei Tage in Siegen bleiben, was uns vollkommen neue Erfahrungswelten beschert hat. Wenn man zum Beispiel nach dem Weg gefragt hat: »Entschuldigung, können Sie uns sagen, wo es hier ein richtig gutes Restaurant gibt?« – »Nö. Wollen wir jetzt nichts dazu sagen.«
    Ein Restaurant haben wir dann trotzdem gefunden, allerdings wurden wir dort einfach nicht bedient. Irgendwann sagte Hassan der Bedienung: »Entschuldigung, wir warten jetzt schon eine Stunde«, da kam zur Antwort: »Jetzt mach mal hier keinen Stress.« Ist ja klar, dass es dann richtig losging und wir uns heftigst mit dem Personal gestritten haben, worauf dann wiederum das ganze Restaurant den Kopf über die flegelhaften Ausländer geschüttelt hat. Das hat mich in seiner Eindeutigkeit überrascht. Ich dachte wirklich, wir wären schon weiter. Sind wir anscheinend aber nicht. Nicht einmal in meiner eigenen Familie, auch wenn das eine andere Geschichte ist.
    Nach meiner Hochzeit saß ich mit meiner Großtante auf der Terrasse und wir unterhielten uns über meine beiden sehr muskulösen afrikanischen Bodyguards. Meine Großtante konnte sich die Namen nicht merken und sprach die ganze Zeit von den beiden »Negern«. Ich habe meine Großtante dann ein wenig auf den Arm genommen und ihr gesagt, dass man »Neger« heutzutage nicht mehr sagt, weil es einen rassistischen Unterton hat. Das beeindruckte meine Großtante allerdings wenig und sie beharrte darauf: »Nö. Für mich sind das Neger.«
    Sie hat das auch nicht böse gemeint. Sie kommt aus Würzburg, hat nichts mit Schwarzen zu tun und vielleicht sagen sie dort alle noch »Neger«. Ich hatte gedacht, dass solche Zeiten längst vorbei und solche Redewendungen ausgestorben sind. Ich bin davon ausgegangen, dass sich die Erkenntnis, dass Schwarze eben »Schwarze« genannt werden wollen, im Jahr 2012 schon rumgesprochen haben könnte. Anscheinend gibt es aber immer noch Gegenden in diesem Land, die davon nichts gehört haben, und genau hier fällt mir der Unterschied zwischen Berlin und dem Rest von Deutschland auf. Wobei ich glaube, dass der Rest von Deutschland teilweise einfach Angst hat. Angst vor dem Fremden, Angst vor dem Neuen, Angst vor dem Feind.
    So haben laut einer Studie Migranten in Kanada wesentlich weniger Integrationsprobleme als Einwanderer in der Bundesrepublik. Nun kann man Statistiken ja sehr unterschiedlich interpretieren und so wurde die These laut, dass die Einwanderer in Kanada sehr viel integrationswilliger seien als jene in Deutschland. Ich würde allerdings behaupten, dass die Kanadier sehr viel gastfreundlicher sind als die Deutschen und es den Einwanderern ein bisschen leichter machen. Und mit »leichter machen« meine ich nicht, dass sie ihnen unendlich viel Sozialhilfe zukommen lassen oder bedingungslos die Grenzen öffnen. Mit »leichter machen« meine ich, dass sie den Ausländern eher das Gefühl geben, willkommen zu sein. Herzlich willkommen zu sein, das ist es, was den meisten Menschen mit ausländischen Wurzeln hier fehlt.
    Als ich vor zwei Jahren in New York war, habe ich in einem Hähnchenimbiss in Brooklyn einen Mann getroffen, der mehrere Jahre in Deutschland gelebt hat. Wir kamen ein bisschen ins Gespräch, weil er gemerkt hat, dass ich nicht aus Amerika bin, und wissen wollte, wo ich herkomme.

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