Auch wir sind Deutschland: Ohne uns geht nicht. Ohne euch auch nicht. (German Edition)
habe ich das Gefühl, dass jeder Versuch, nach eigenen Regeln oben mitzumischen, bestraft wird und dass ich als »Kanake« einfach nicht am richtigen Fleck bin. Dass ich unerwünscht bin. Zwar nicht in diesem Land, aber in einer gewissen Gesellschaft. Anders kann ich es mir nicht erklären, dass immer wieder versucht wird, meinen Firmen dubiose Geschäfte und kriminelle Machenschaften zu unterstellen. Den Leuten gefällt es nicht, dass ich da bin, genauso wenig wie es meinen Nachbarn gefällt, dass ich in ihrer direkten Nachbarschaft wohne. Deshalb rede ich auch nicht mit meinen Nachbarn und sie nicht mit mir.
Meine Nachbarn und ich, wir grüßen uns noch nicht einmal. Sie dulden mich und ich freue mich dafür jeden Morgen, wenn ich aus dem Haus komme und in meinen dicken Mercedes AMG einsteige, dass sie sich wahrscheinlich über mich das Maul zerreißen. Ich freue mich, wenn meine arabischen Freunde hier sind und meine Nachbarn verstohlen hinterm Vorhang stehen und uns beobachten. Wahrscheinlich wollen sie herausfinden, ob wir auf meiner Terrasse tatsächlich Hammel und Ziegen schlachten. Manchmal machen wir das sogar, dann schlachten wir ein paar Lämmer, tauchen unsere Hände in das Blut der frisch getöteten Tiere, wedeln mit den Eingeweiden und tanzen um ein Lagerfeuer herum, nur um ihnen zu beweisen, wie primitiv wir Moslems wirklich sind. – Spaß!
Eigentlich wohne ich im falschen Viertel. Einer wie ich darf hier gar nicht sein. Ich passe nicht dazu und spüre das bei jedem Schritt. Natürlich scheiße ich da drauf und es ist mir egal, weil ich mich jeden Tag freue, dass ich hier bin, da es hier wirklich schön ist. Sehr ruhig. Sehr angenehm. Sehr chillig. Ziemlich perfekt.
Lichterfelde-West ist ein Gründerzeitviertel, das im späten 19. Jahrhundert aus dem Boden gestampft wurde. Eine sogenannte Gartenstadt, extra geplant und konzipiert für den gehobenen Lebensstandard. Um 1870 hat ein Hamburger Unternehmer die Idee gehabt, Land in der Nähe des Dörfchens Lichterfelde bei Berlin aufzukaufen und eine Villensiedlung nach englischem Vorbild zu errichten. Die Idee fand Anklang und jede Menge Adlige, preußische Militärs, Bankiers und Politiker haben sich hier angesiedelt und die unterschiedlichsten Fantasiehäuser gebaut. Es gibt Burgen und pseudogotische Fassaden, es gibt jede Menge Türmchen und Säulen, barocken Skulpturenschmuck und allen möglichen anderen Scheiß, den sich die Leute ausgedacht haben. Der orientalische Stil würde hier gar nicht weiter auffallen. Geschmack ist zwar was anderes, aber darum ging es nicht. Vor allem wollte man zeigen, dass man unglaublich reich ist. Das will ich ja auch. Das gefällt mir.
In meinem Villenvorort gibt es Einkaufsmöglichkeiten, ein eigenes Gemeindehaus, es gibt Parks und liebevoll gestaltete kleine Plätzchen zum Spazierengehen und Ausruhen. Man bleibt unter sich und braucht mit der normalen Bevölkerung, dem Pöbel und der Unterschicht nichts zu tun zu haben. Nach dem Ersten Weltkrieg lebten hier vor allem reiche Witwen, die sich von ihren Schoßhündchen die Muschi lecken ließen. Lichterfelde-West ist ein richtiges Reichengetto und daran hat sich bis heute nicht viel geändert.
In Berlin gibt es aber auch andere Gettos. Dort, wo ich meine Jugend verbracht habe, da blieben und bleiben die Leute auch unter sich. Man geht ackern und in den Telefonzellen roch es nach Heroin, das vom Blech geraucht wurde. Telefonzellen gibt es heute ja gar nicht mehr. Die rußgeschwärzte Alufolie liegt aber immer noch herum.
Das sind einfache Wohnviertel, in denen normale Leute wohnen, aber wenn die Leute keine Arbeit mehr haben, bleiben sie zu Hause oder gehen zum Jobcenter, wo ihnen eine Umschulung nach der nächsten angeboten wird, die aber lustigerweise immer einen Trend zu spät kommt. In der Politik heißt das dann »die bedrohte Mittelschicht«. Ganz normale Malocher, die früher bei BMW, Bahlsen oder Schultheiß gearbeitet haben. Ganz normale Handwerker, die morgens um sieben Uhr auf dem Bau stehen und abends ihr Bierchen zischen. Menschen, die, wenn sie arbeitslos werden, ganz schnell abrutschen in die Unterschicht und die darauf angewiesen sind, dass man ihnen sagt, was sie tun sollen. Ich war nie so. Das war nie mein Style. Ich habe immer nur das gemacht, was ich wollte und was ich selbst für richtig hielt, aber ich kenne viele, die das einfach so gewohnt sind.
Dazwischen hängen dann die ganzen Jugendlichen ab, die ohne Perspektive aufwachsen, weil sie
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