Auf all deinen Wegen - Lene Beckers erster Fall (Lene Becker ermittelt) (German Edition)
Geste des segnenden Buddhas gehalten. In der waagerechten seiner Hände lag eine orangerote, frische Rose. Sarah sah den Blick und sprach weiter.
» Meine spirituelle Überzeugung hat mir in den letzten Tagen viel Kraft gegeben. Ich habe mich in der Meditation darauf konzentriert Joanne und Marc Frieden und Licht zu schicken. Es muss für ihre Seelen schwer gewesen sein, so abrupt aus dem Leben geschleudert zu werden, und ich denke, sie brauchen uns.«
Lene war beeindruckt von der ruhigen und innerlich gesa mmelten Stimme. Sophie beugte sich vor. Ihr Gesicht war völlig gefangen genommen von Sarahs Worten.
» Du glaubst fest daran, dass ihre Seelen weiterleben, nicht wahr? Ich auch. Aber das, was du sagst, hilft vielleicht den Schmerz aufzulösen. Es klingt so viel Fürsorge für die beiden daraus und ich habe richtig gefühlt, dass das viel wichtiger ist als der Kummer, den wir hier haben. Bist du Buddhistin?«
» Ja. Aber ich bin auch Christin und finde, alle Religionen haben einen gemeinsamen Kern. Ich versuche diesen gemeinsamen Kern immer mehr zu sehen und danach zu leben.«
Sarah holte tief Luft.
»Wisst ihr, Joanne und ich waren seit mehr als zehn Jahren die engsten Freundinnen. Deswegen haben wir uns auch eine gemeinsame Stadt für das Studium ausgesucht. Sie wird mir so sehr fehlen! Wir haben doch immer alles gemeinsam gemacht, gedacht, gelitten und gelacht. Jede wusste immer, wie es der anderen geht. Und wir dachten, es sei für das ganze Leben. Und wenn ihr mich jetzt fragt, wo die Ursache für so eine Gewalttat liegen kann – ich weiß es nicht. Zerbreche mir schon die ganze Zeit den Kopf.«
Sophie fiel ein, was John gesagt hatte.
»Ich dachte, ihr hättet euch erst hier bei Studienbeginn kennengelernt. Joanne hat am Anfang sogar bei dir gewohnt, oder?«
» Ja, es war eine herrliche Zeit, diese Monate zusammen! Aber wir kennen uns schon von der High School. Wir waren beide Freshmen – oder Freshwomen - dort, als wir uns bei einer Einführungsveranstaltung trafen. Von da an waren wir immer zusammen. «
» Kennst du Ben?«
Sarah nickte. »Ein wirklich feiner Kerl. Ich studiere sogar bei ihm.«
» Du studiert Psychologie? Ich glaube, dass das sehr gut zu dir passt. Aber zurück zu Ben. Er sagte etwas, er meinte, er hätte einen Blick zwischen John und Joanne aufgefangen, der nach mehr aussah als Schwager und Schwägerin oder nach mehr als Freundschaft. Versteh mich richtig – er hat nur allgemein über ihre Beziehungen gesprochen. Wir suchen überall.«
» Ja, mit John hatte sie ja beinahe etwas, bevor sie Marc kennenlernte. Da ist immer eine Vertrautheit geblieben. Und ich glaube auch, dass John das nie ganz verwunden hat.«
» Ich kenne Joanne in dieser Beziehung nicht so wie du. Frage jetzt einfach mutig. Kann es sein, dass sie in der letzten Zeit mit John geschlafen hat? Aus einer Laune heraus oder weil sie mutwillig war? Was weißt du oder was meinst du?«
Sarah sah etwas verzweifelt aus.
»Wenn ich mit euch über Joannes Geheimnisse spreche, ist es für mich wie ein Vertrauensbruch. Wenn ich es nicht beantworte, helfe ich vielleicht nicht, ihren Mörder zu finden. Was jetzt nicht heißt, dass die Beantwortung deiner Frage zum Mörder führt. Denn John kommt für mich wirklich nicht in Frage. Er ist doch Marcs Bruder und hat ihn wirklich geliebt. Er weiß nicht einmal, wie er jetzt ohne Marc leben soll. Aus meinem Denken inkarnieren Seelen als Zwillinge, weil sie gemeinsam etwas lernen wollen. Sie gehören noch enger zusammen als Brüder. Kennst du einen einzigen Mord unter Zwillingen?«
Lene gab ihr Recht. So etwas gab es höchstens in Fernsehkrimis. Auch sie wusste in der Realität von keinem. Dachte eigentlich genauso. Aber als Kommissarin reichte das nicht. Sie beruhigte Sarah.
» Es ist doch nur um mir ein realistisches Bild von Joanne zu machen, nicht weil ich John wirklich verdächtige. Ich brauche Facetten von Joanne oder von Marc, die ich neu zusammensetzen kann, verstehst du? Selbst wenn sie mit John geschlafen hat, ist das nicht unbedingt ein Grund für einen Mord. Aber es hilft mir Spannungen aufzudecken, auch in Bezug auf andere Menschen in ihrem Umfeld.«
» Gut, ja, sie hat einmal mit John geschlafen. Manchmal war sie auch ein hitziger und selbst bestimmender Mensch, der sich nicht gern Schranken setzen ließ. Zumindest habe ich es mir so erklärt. Sie sprach nur von einem ‚Hineinrutschen’ in eine Situation, in der es passiert ist. Sie hat sich dann doch große
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