Auf all deinen Wegen - Lene Beckers erster Fall (Lene Becker ermittelt) (German Edition)
diese starke Verbindung zwischen Mutter und Kind. Ich habe da schon manchmal Unglaubliches gehört. Und danke für die Info. Du bist eben meine liebste -«, er suchte nach einem Wort und endete hilflos lächelnd, »Assistentin. Oder wäre dir Austauschkommissarin lieber?«
Sie boxte ihn sanft in die Rippen.
»Dann geht deine Assistentin erst mal ermitteln. Bye. Ich melde mich noch.« Und weg war sie.
Sarah wohnte in der Nähe der Filbert Street. Das Haus etwas schlichter als das von Joanne und Marc, aber auch hier war es eine »feinere« Adresse. Als Sarah ihnen die Tür öffnete, war Lene überrascht, wie schnell der Funken der Sympathie übersprang. Sarah hatte ein etwas rundes Gesicht, große, leicht oval geschnittene graue Augen und einen ausdrucksvollen Mund. Die Nase war gerade und sensibel in diesem Gesicht, das auf den ersten Blick Freundlichkeit, Sanftheit und gleichzeitig Klarheit ausstrahlte. Sie lächelte sie beide an. »Wie schön, Lene und Sophie, euch endlich kennenzulernen!« Dann legte sich Traurigkeit über ihr Lächeln.
» Auch wenn es jetzt nicht zur Hochzeit ist. Wir hatten uns so auf euch gefreut. Ach, kommt rein.«
Sie betraten die Wohnung, die in burgunderroten, he llen Terrakotta- und gelben Tönen gehalten war. Lene fühlte sich sofort wohl.
» Soll ich uns einen Tee kochen – oder möchtet ihr lieber Kaffee?«
Lene und Sophie begleiteten sie in die kleine Kü che und sahen ihr beim Kaffeekochen zu.
» Ich brauche euch nicht zu sagen, wie ich mich fühle. Euch geht es ja sicher nicht anders. Aber es hat doch eine zusätzlich tragische Dimension an Unfassbarkeit. Im Schrank hängt mein Brautjungfernkleid und ich suche nach dem Kleid für die Beerdigung. Das Schicksal ist manchmal sehr dramatisch – und erscheint einem so ungerecht«, brach es aus ihr heraus.
» Wie hast du es denn erfahren?«, fragte Lene.
» Fred hat mich noch am selben Abend gegen elf angerufen. Mir alles erzählt. Er war vollkommen aufgelöst und hat ziemlich geweint. Ich habe ihn angefleht hierherzukommen, ich hätte ihm helfen können den Schock zu lösen. Ich habe Bachblüten und in so einer Situation wäre es wichtig gewesen, dass er sie nimmt. Aber er wollte sich gleich mit Iris treffen. Er tat mir so leid. Ach, es ist alles einfach furchtbar.«
Sarah hatte rote Flecken i m Gesicht, ihre Augen glänzten. Aber sie hielt die Tränen zurück. Nur als sie über Fred sprach, klangen viel Gefühl und innere Anteilnahme durch.
» Und dann sollte es auch noch Marc gewesen sein! Aber John sagt, die Polizei wäre inzwischen doch über den Verdacht hinaus. Wer ist es denn nur gewesen? Fred sagt, der Safe war leer. Dann muss es doch ein Einbrecher gewesen sein, ein Raubüberfall.«
Sie sah Lene flehend an.
»Du bist doch dabei, hilfst der Polizei. Haben die denn noch niemand in Verdacht? John sagt, sie denken jetzt, dass es Fred war. Das kann doch nicht sein! Ich kann es mir einfach nicht vorstellen. Es muss ein Fremder gewesen sein.«
Sarah weinte jetzt doch. Lene wartete. Streichelte nur ihre Hand. Schließlich wurde sie wieder ruhiger.
»Entschuldigt«, schniefte sie. »Ich heule sonst selten. Es ist nur, wenn man mit jemandem zusammentrifft, der sie auch geliebt hat, dann löst sich etwas in einem, das vorher unter Kontrolle war.«
» Wir müssen Geduld haben. Die Kriminalpolizei und ich, wir wollen diesen Fall unbedingt aufklären, aber das dauert eben. Fred ist aus der U-Haft wieder entlassen. Man wird sehen. Vielleicht hilft es, wenn du noch etwas von Joanne oder Marc weißt. Erzähl mal ein bisschen – oder fang damit an, wann du Joanne das letzte Mal gesehen hast.«
» Am Tag vor dem Mord. Aber am Tag selbst haben wir noch telefoniert.«
Das wusste Lene schon aus der Auflistung der Telefongespräche. Sarah war jetzt ruhig und diszipliniert. Ihre Stirn hatte Konzentrationsfalten. Ihre Augen waren wie Seen, schimmernde, tiefgraue Seen.
» Sie war so gut gelaunt, so voller Erwartung. Und an dem Tag hatte sie noch viele Besorgungen vor. Am nächsten Tag wollte sie noch zur Endanprobe ihres Brautkleides.« Sie sah Lene etwas entschuldigend an. »Wir wussten doch nicht, dass es unser letztes Gespräch sein würde. Und in diesen letzten Tagen zwischen Examen und Hochzeit ging es eben viel um Organisation. Es ist schwer, sie so gehen zu lassen.«
Lene sah nachdenklich auf die halbhohe Buddha Statue. Der Buddha war aus Holz, mit dünner Goldpatina. Ein wunderschönes, edles Gesicht und die Hände in der
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