Auf Allie ist Verlass
meine Hand in ein Glas mit warmem Wasser stecken, damit ich ins Bett machte, und mir mit einem Stift aus Mrs Hausers Schminktäschchen rote Punkte ins Gesicht malen – und all das, während ich schlief.
Woher sollte ich wissen, ob ich von dem Stift nicht eine Tintenvergiftung bekam, vor der Sophie mich gewarnt hat, nachdem ein Kind an so etwas gestorben war? Oder wenn ich irgendwie von dem Wasser, in das meine Hand getaucht wurde, einen tödlichen Stromschlag erlitt? Das weiß doch jeder, dass Strom plus Wasser tödlich ist. Sophie hatte mir alles darüber erzählt. Im Schlaf konnte ich mich weder gegen das eine noch gegen das andere wehren. Es ging um Leben und Tod. Deshalb musste ich Theater spielen.
Kaum war Courtney gegangen, schaltete ich einen der Handtrockner an und drehte das Düsenteil so, dass es auf meine Stirn blies. Ich hob den Kopf und blieb so lange davor stehen, wie ich es aushielt. Dann ging ich zum Spiegel, glättete meine Haare, die von dem Händetrockner völlig verstrubbelt waren, und befühlte meine Stirn. Perfekt.
Dann übte ich, krank auszusehen. Das war nicht schwer. Ich hatte den ganzen Tag kaum etwas gegessen außer Cola und Karamell-Popcorn und ein paar Pommes frites. Mir war wirklich ein bisschen schlecht.
Kurz darauf kam Mrs Hauser mit besorgter Miene auf die Damentoilette.
»Allie«, sagte sie. »Courtney hat gesagt, dass es dir nicht so gut geht.«
»Das stimmt«, sagte ich. Ich saß zusammengekauert auf dem schwarzen Ledersofa – als wäre mir wirklich schlecht.
Mrs Hauser legte eine Hand auf meine Stirn.
»Oje«, sagte sie. »Du fühlst dich ganz schön heiß an.«
»Ja«, sagte ich schwächlich. »Mein Bauch tut auch ein bisschen weh. Ich hoffe, es macht Ihnen nichts aus, aber ich habe mir Courtneys Handy geliehen und meinen Onkel angerufen. Er schickt seine Freundin Harmony, um mich in der Eingangshalle des Hotels abzuholen. Es tut mir wirklich leid, wenn ich Brittany ihren Geburtstag verderbe.«
Der Satz gefiel mir. Es tut mir wirklich leid, wenn ich Brittany ihren Geburtstag verderbe. Ich hatte eine Weile dafür gebraucht. Genau das würde jemand sagen, dem schlecht ist, nicht wahr?
Es tat mir zwar leid, Mrs Hauser anlügen zu müssen, weil sie immer sehr, sehr nett zu mir gewesen war und Maunzis Oma war und so. Aber es tat mir nicht im Geringsten leid, Brittany möglicherweise ihren Geburtstag zu verderben. Denn ich wusste ja, dass ich ihr nicht wirklich den Geburtstag verdarb. Nichts könnte Brittany weniger ausmachen, als dass ich frühzeitig ihre Party verließ. Wahrscheinlich war sie heilfroh, mich los zu sein. Nur konnte sie mich auf diese Weise auch nicht im Schlaf foltern. Dieser Teil ihres Geburtstags war leider wirklich verhunzt.
»Ach, du armes Ding«, sagte Mrs Hauser und nahm mich in den Arm. »Mach dir keine Sorgen um Brittany. Ich werde dafür sorgen, dass wir bald zum Hotel aufbrechen, damit du dort auf … wie heißt sie noch gleich … warten kannst.«
»Harmony«, antwortete ich.
»Harmony. Stimmt. Was meinst du, schaffst du es zurück zu unserem Tisch, ohne …?«
Sie wollte »brechen« sagen, ohne es auszusprechen, weil sie Angst hatte, dass ich es dann tun würde. Leute, denen wirklich schlecht ist, müssen sich übergeben, wenn sie den Ausdruck nur hören. Das ist eine Regel.
»Ja, Ma’am«, antwortete ich mit schwacher Stimme.
Ich ließ mich von Mrs Hauser zum Tisch zurückbringen und sorgte die ganze Zeit dafür, dass mein Gesicht so aussah, wie bei jemandem, dem es schlecht war. Es funktionierte hervorragend, denn die anderen Gäste machten sogar Platz, als wir zu der Nische gingen, in der Brittany ihren Geburtstag feierte. Dieser Trick mit dem Handtrockner hatte es voll gebracht. Ich sah aus, als hätte ich Fieber und wäre schweißgebadet.
»Hört zu«, sagte Mrs Hauser zu den anderen Mädchen. »Allie geht es nicht gut. Sie muss schon früher nach Hause gehen.«
»Oooohhh«, sagten Brittany und ihre Freundinnen zuckersüß und taten so, als täte es ihnen leid. Es war ihnen völlig egal, dass mir schlecht war. Sie waren höchstens enttäuscht, weil sie mir später nicht ihre gemeinen Streiche spielen konnten.
Courtney hingegen schien es etwas auszumachen. Aber sie wusste ja, dass mir nicht wirklich schlecht war. Sie fand es nur nicht gut, dass ich sie mit Brittany und ihren Freundinnen allein ließ. Ich hatte ihretwegen ein schlechtes Gewissen, aber was sollte ich machen? Ich musste dringend hier weg.
Als wir im Hotel ankamen
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