Auf Bewährung
Roy und Mace auf die Ducati stiegen und die Straße runterfuhren, startete Hope den Van und folgte ihnen. Reiger wiederum wich in die Gasse zurück, kam eine Straße weiter wieder heraus und fuhr parallel zu ihnen. Die beiden Männer kommunizierten auf einer sicheren Funkfrequenz und wechselten sich alle drei Blocks mit der Beschattung ab für den Fall, dass Mace ihre Verfolger bemerken sollte.
Reiger lehnte sich auf seinem Sitz zurück. Letzte Nacht hätte es vorbei sein sollen, und das wäre es auch gewesen, hätte dieser verdammte Anwalt ihm nicht den Schuss versaut. Das würde ihm nicht noch einmal passieren. Reiger tötete nicht gerne, besonders keine anderen Amerikaner, aber er würde das hier überleben, auch wenn alle anderen auf der Strecke blieben.
Kapitel 48
N ur ein Angestellter arbeitete hinter dem Tresen bei A–1, als Roy und Mace hereinkamen. Er war jung und trug die Kopfhörer des iPods an seinem Gürtel. Sein Kopf schwang im Takt der Musik, und er sortierte gerade die Post auf dem Tresen. Mace führte Roy zu den Postfächern. Ein Blick offenbarte, dass sie zwar nummeriert waren, doch keine der Zahlen passte zu der, die Mace sich von dem Schlüssel aufgeschrieben hatte.
»Plan B«, flüsterte sie Roy zu. »Hey, Junge, ich hab da mal ’ne Frage.«
Der Junge nahm einen Ohrstöpsel heraus, doch sein Kopf schwang weiter hin und her. »Ja?«
Mace hielt den Schlüssel hoch. »Meine Tante ist die Treppe runtergefallen und hat sich den Oberschenkelhals gebrochen. Und das ist die gute Nachricht.«
»Dass sie sich den Oberschenkelhals gebrochen hat?«, erwiderte der Teenager verwirrt.
»Ja, denn so ist sie ins Krankenhaus gekommen, und da hat man dann festgestellt, dass sie unter einer seltenen Art von Lepra leidet, die sie sich in Afrika oder einem anderen verrückten Ort eingefangen hat. Diese Krankheit frisst einem förmlich das Fleisch von den Knochen. Und sie ist so ansteckend, dass Ihnen schon die Augen ausfallen, wenn meine Tante sie nur anhaucht. So eine Scheiße habe ich noch nie gesehen.«
»Oh Mann, das ist ja mal richtig übel«, sagte der Junge.
»Wie auch immer ... das hier ist ihr Schlüssel, und sie hat mich gebeten, ihre Post abzuholen. Nur kann sie sich nicht mehr an das Postfach erinnern.«
»Oh.«
»Ja. Also kann ich ihre Post nicht holen. Und da sind ein paar Schecks und Behandlungsrechnungen dabei, die sie braucht. Das bedeutet natürlich Scherereien, aber ich bin die einzige Verwandte, die sie hat.«
»Wie heißt sie denn?«
»Diane Tolliver.« Mace kreuzte die Finger und hoffte, dass der Junge nichts über den Mord gelesen hatte.
Er gab etwas in den Computer ein. »Ja, sie hat ein Postfach hier.«
»Puh. Und welche Nummer?«
Der Junge nahm auch den anderen Ohrstecker raus, und sein Gesicht nahm einen harten Ausdruck an. »Diese Information darf ich eigentlich nicht rausgeben. Postvorschriften. Sie wissen schon ... wegen Terroristen und so ...«
»Verdammt, daran habe ich gar nicht gedacht.« Mace schaute zu Roy. »Du solltest Tantchen besser aus dem Wagen holen, damit sie sich persönlich ausweisen kann.« Sie drehte sich wieder zu dem Jungen um. »Sie haben sie nicht mehr in dem Krankenhaus behalten können, weil sie für so ansteckendes Zeug nicht ausgerüstet sind. Also müssen wir sie jetzt ins John Hopkins bringen. Wir waren jedoch gerade erst unterwegs, da hat sie nach ihrer Post geschrien. Unter uns gesagt, ich glaube, diese Krankheit macht auch was mit ihrem Kopf. Sie wissen schon ... so wie sie auch ihre Postfachnummer vergessen hat. In jedem Fall ist nichts mehr mit Sex. Es heißt, die Krankheit tötet die Libido, besonders bei jüngeren Menschen. Aber wie auch immer ... sie sitzt draußen im Wagen und fault vor sich hin. Wir sind gegen den Scheiß geimpft; also kann uns nichts passieren. Aber an Ihrer Stelle würde ich mich gleich hinten verstecken oder so. Und desinfizieren Sie anschließend alles, was sie berührt hat, und zwar gründlich. Die Bakterien können nämlich wochenlang überleben. Ein Pfleger im Krankenhaus hat das auf die harte Tour erfahren müssen.« Mace schaute wieder zu Roy. »Geh, und hol sie. Und mach schnell. Ich will auf der Fahrt nach Baltimore nicht in den Stau kommen.«
Roy schickte sich an zu gehen, doch der Junge platzte heraus: »Fach 716. Das zweite von links in der oberen Reihe.«
»Sind Sie sicher?«, fragte Mace. »Ich möchte Sie nicht in Schwierigkeiten bringen. Und Tantchen ist ja vor der Tür. Sie kann gehen; aber sie
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