Auf Couchtour
Position zu wechseln, an die Rückenlehne. Der Fahrer reckte den Hals. Ich zwinkerte ihm zu, fädelte die Spitze meines einen Stiefels in den Griff des Schiebefensters und zog zu. Zack. Ich zerrte Troy in die Mitte der Rückbank, schwang mich auf seinen Schoß und begann, was endete, wie die Liebesszene in Titanic : Kate Winslet und Leonardo di Caprio auf dem Frachtdeck, in dem Oldtimer …«
»… ihre Hand an der beschlagenen Scheibe!«
»Ja. Nur mit dem Unterschied, dass unsere Version wesentlich länger und erst frei ab 18 war.«
»Oh, nein, sei still, ich rufe mir die Filmszene gerade vor Augen, versau es nicht.«
»Stellst du dir auch unseren Zuhörer vor?«
»Scheiße, der Fahrer!« Ein untypisches Wort für Charline, Scheiße, meine ich.
»Die Trennwand war zwar blick-, aber nicht schalldicht. Wir taten es im vollen Bewusstsein darüber, dass er jedes Geräusch von uns belauschte. Der ultimative Kick, Charline.«
»Nicht dein Ernst!«
»Oh, doch. Zu wissen, da war jemand nur einen Katzensprung entfernt, prickelte ungemein. Es hatte etwas Verbotenes, und alles, was man nicht darf, ist ja bekanntlich besonders reizvoll. Die Angst, erwischt zu werden, die Gefahr, dass er gleich das Fenster aufreißen würde, ließ unsere Erregung total aus dem Ruder laufen. Es war überwältigend. Ich könnte heulen bei dem Gedanken, vielleicht niemals wirklich so geliebt zu werden.
So etwas ist nicht planbar. Hätte mir jemand davon erzählt, wäre ich genau wie du irritiert gewesen. Aber mit dem richtigen Mann, am richtigen Ort, zur richtigen Zeit: der Hammer! In der Regel schließen sich diese drei Dinge gegenseitig aus. Denkst du, es sei der richtige Zeitpunkt, fehlt dir der Mann. Triffst du deinen Traumtypen, sitzt er garantiert in einem Bus und fährt dir vor der Nase weg. Bist du am richtigen Ort, hat ER keine Zeit oder zu wenig Fantasie. Ich wollte mich einmal von den Kompromissen, die man in der Realität ständig eingehen muss, befreien. Ich habe vorher nichts definiert, sondern mich einfach treiben und überraschen lassen. Eine gelungene Vorstellung in meinen Augen.«
»Wenn du es so beschreibst, klingt es tatsächlich reizvoll.«
»Das war es, Charline, das war es!« Ich seufze und versuche, mich damit abzufinden, für den Rest meines Lebens einem Ideal nachzujagen, das ich niemals einfangen werde.
»Wie lief das mit seinen Ticks? Ich meine, hatte er welche, während ihr … zusammen wart?«
»Klaro, die ganze Zeit.«
»Machte er komische Geräusche?«
»Jeder macht irgendwelche Geräusche beim Sex – die meisten davon sind lächerlich. Seine fielen fraglos aus der Reihe, drosselten mein Verlangen aber nicht im Geringsten. Da gibt’s Peinlicheres. Jürgen zum Beispiel johlte vorm Orgasmus immer ›Jawollja!‹«
»Nee.«
»Ich schwör’s dir!«
»Ist ja furchtbar.«
»Kennst du das Lied Jawoll, meine Herrn, so hab’n wir es gern von Heinz Rühmann aus dem Film Der Mann, der Sherlock Holmes war ?«
»Wieso?«
»Weil ich jedes Mal an Heinz Rühmann denken musste, wenn es so weit war – der totale Lustkiller. Dagegen waren Troys Laute und Zuckungen nicht der Rede wert. Der Sex mit ihm gestaltete sich in jeder Hinsicht anders als jedes intime Erlebnis, das ich bisher hatte.«
»Warum erfahre ich das von Jürgen erst heute.«
»Weil es kein Thema für jeden Tag ist. Jetzt passte es gerade.«
»Jawollja«, wiederholt Charline und stellt sich kichernd vor, was ich am liebsten aus meinen Erinnerungen streichen würde. »Ich habe das ab jetzt bestimmt immer vor Augen, wenn ich ihm begegne. Jawollja«, sagt sie noch mal, um es sich auch wirklich einzuprägen. Gut so, geschieht ihm recht.
»Wie lange seid ihr unterwegs gewesen?« Jürgen und Heinz sind vom Tisch.
»So wie vereinbart, circa drei Stunden. Der Taxifahrer stoppte genau da, wo er uns zuvor aufgegabelt hatte. Ich malte mir aus, welche Überwindung es ihn kostete, die Tür zu öffnen. Wahrscheinlich keine! Er brannte darauf und konnte es kaum erwarten. Er räusperte sich und kündigte das Ende der Fahrt an. Kaum, dass er ausgesprochen hatte, riss er die Tür auf. Wir erlaubten uns einen Jux mit ihm. Ich konnte das Lachen kaum unterdrücken, als ich sein Gesicht sah. Es kribbelte in meiner Nase, Tränen schossen mir in die Augen. Troy musste sich ebenso konzentrieren, um die Pointe nicht zu verderben. Ich wandte mich von ihm ab, sonst wäre ich explodiert. Das Bild, das wir ihm boten, enttäuschte den Fahrer maßlos. Es passte überhaupt
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