Auf Couchtour
Charline, angelockt vom Jakobs-Verwöhn-Aroma-Duft, kommt auf Socken angerutscht. Es funktioniert tatsächlich, zumindest auf kurzen Strecken. Mit dem Weihnachtsmann hat es nicht geklappt. Ich habe es letztes Jahr, wie in der Werbung, auf dem Balkon ausprobiert und am Heiligabend die Dämpfe in die Nacht gewedelt. Übrig blieben jede Menge kalter Kaffee und genauso viele unerfüllte Wünsche. Dieses Jahr probiere ich es mit Lumumba. Der Weihnachtsmann ist schließlich auch nur ein Mensch …
Wir schlurfen mit unseren Kaffeepötten ins Wohnzimmer und teilen die Schokolade gerecht auf: ein Riegel für Charline, den Rest für mich. Sie muss schließlich auf ihre Figur achten. Bei mir ist Hopfen und Malz verloren.
Taxi Titanic
»Seid ihr denn nun noch ins London Dungeon gegangen?«
»Nee.« Ich mampfe schnell alles auf. Was weg ist, brauche ich nicht zu teilen.
»Die Situation war mir echt unangenehm. In den Augen der anderen vom Gewinner und Retter zum Spielverderber abzusteigen, war enttäuschend. Aber ich konnte denen wohl kaum erklären, was gerade vorgefallen war, sprich, meiner Lust aufs Gruseln einen gehörigen Dämpfer verpasst hatte. Alle Überredungsversuche prallten an mir ab. Ich blieb stur. Ich wollte lieber mit Troy alleine sein und mich emotional ablenken – selbst wenn die anderen dachten, ich sei ein Feigling. Troy fand meine Entscheidung okay. Er verteidigte mich, knurrte, summte, hickte … und erinnerte die Nörgler eindringlich daran, dass ich ihn eben vor dem sicheren Tod bewahrt hatte. Das war total übertrieben, aber es tat mir gut, daher nickte ich zu seiner Behauptung. Außerdem, so Troy, fühle er sich noch ziemlich wacklig auf den Beinen und wolle sich ausruhen. Das war hoffentlich eine Lüge! Ich stimmte ihm trotzdem zu, denn dieses Argument stieß sofort auf Verständnis. Somit war ich aus dem Schneider.
Wir standen noch eine Weile auf dem Bahnsteig und quatschten. Dass wir uns ausklinkten, war schlimm genug, da wollten wir nicht auch noch überstürzt abhauen. Die Truppe ließ sich von uns ihr Vorhaben zum Glück nicht vermiesen. Peter und seine Kollegen einigten sich, den Trip ohne uns durchzuziehen, was Wirt und Gehilfe sichtlich freute. Gewinn sei Gewinn und wer ihn letztendlich einlöste, spiele keine Rolle. Wir verabschiedeten uns auf dem Weg nach oben. Ich brauchte dringend frische Luft. Am Ausgang tauschten Troy und Peter Telefonnummern aus, mit dem Versprechen, sich bald wieder zu treffen. Wir umarmten uns alle und wünschten uns gegenseitig viel Spaß. Peter zwickte Troy dabei in den Arm. Ich sah es und wünschte mir inständig, Troy hatte ebenfalls verstanden, was er damit meinte. Auf dem Bürgersteig schauten wir uns noch einmal nach der Truppe um, die sich langsam aber stetig nordwärts durch die Nacht schlängelte.
Troy und ich bummelten Arm in Arm in die entgegengesetzte Richtung. Es hatte sich ganz schön abgekühlt, und ich war heilfroh über meine Wachsjacke. Ich zog den Kragen am Hals zusammen und kuschelte mich eng an den warmen Körper meines Begleiters. Die Nacht wurde mit jedem unserer Schritte lauter, viel lauter, als wir es von zu Hause gewöhnt sind. Je näher wir der London Bridge kamen, desto mehr Lärm sprudelte aus jedem Winkel der Stadt.« Ich zeige Charline die Brücke im Reiseführer. In meinem Traum spannte sie sich prunkvoll und mächtig über die Themse. Ein Bollwerk aus der Vergangenheit. Riesige Türme mit Mosaikfenstern ragten vom Sockel bis in den Himmel hinein. Unzählige Lichter strahlten die Zinnen und jeden Quader an, sobald die Dämmerung einbrach. In jahrelanger Arbeit hatten Steinmetze und Bildhauer Schutzpatrone in die Mauern gemeißelt – Engel und Heiligenfiguren, die sich golden schimmernd aus dem Stein hervorreckten. Unabhängig davon, wie oft und wie eingehend man die Brücke betrachtete, man entdeckte immer eine neue Besonderheit, die einem zuvor nicht aufgefallen war. Auch ich konnte im Traum nur auf meine Erinnerungen zurückgreifen, und die warfen den Kölner Dom und das Brandenburger Tor in einen Topf und kochten daraus meine Vorstellung von der London Bridge – die großartigste Brücke aller Zeiten. Die Realität im Reiseführer zeigt mir ein ernüchterndes Bild. Die Brücke ist weder sehens- noch erwähnenswert. Eine zweckmäßige Einrichtung: stumpf, plump, ohne jegliches nostalgisches Flair. Statt flanierender Liebespärchen mehrspuriger Verkehr. Die Geschmacklosigkeit in Beton.
Ich lese vor, dass sie seit der
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