Auf dem Holzweg durchs Universum: Warum sich die Physik verlaufen hat (German Edition)
Namen allgemeine Kovarianz als Leitidee die gesamte Theoretische Physik.
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Wenn alle das Gleiche denken, denkt keiner sehr viel. – Walter Lippmann, amerikanischer Schriftsteller
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Obwohl die physikalische Bedeutung dieser allgemeinen Kovarianz strittig ist, 52 hat sie sich so zum Dogma verfestigt, dass man andere Möglichkeiten für ausgeschlossen hält. Letztlich hat Einstein mit diesem Postulat mehr aus der Not eine Tugend gemacht, als Machs Frage nach der Definition eines absoluten Ruhesystems wirklich zu beantworten. Dessen Gedanke, die entfernten Massen im Universum könnten eine Rolle spielen, ist daher keineswegs abwegig.
Die Spezielle Relativitätstheorie beschreibt elegant die These, dass Naturgesetze unabhängig von der Bewegung des Bezugssystems sind, und die Experimente bestätigen dies bisher hervorragend. Wie wir beim Äther gesehen haben, können die gleichen Ergebnisse jedoch auch im Rahmen eines ausgezeichneten Bezugssystems erklärt werden. Deswegen muss man die verbreitete Überzeugung in Frage stellen, dass alle denkbaren Experimente blind sein müssen gegenüber einer Bewegung relativ zu allen Massen im Universum. Im Zweifel empfiehlt es sich, die Augen offen zu halten. Nach wie vor ist der einfache Begriff Raum rätselhaft: Sind die Naturgesetze unbeeindruckt von gleichmäßiger Bewegung oder nicht? Und, ganz abgesehen von Bewegung, wie definiert sich die Abwesenheit von Beschleunigung? Durch die Gesamtheit aller Massen im Universum, wie Mach vermutete, oder durch die mathematische Möglichkeit, Beschleunigung zu eliminieren, wie Einstein es tat? Sind unsere Maßstäbe des Raumes, die Lichtwellenlängen, unveränderlich, oder hängen sie gar mit der Expansion des Kosmos zusammen? Raumsonden werden uns hierzu bald neue Präzisionsmessungen liefern. Wie es auch ausgeht, Einstein und Mach wären sicher beide davon begeistert.
Für ein tieferes Verständnis des Raums muss man auch die derzeitige Definition der Längeneinheit Meter betrachten: die Strecke, die das Licht in einem bestimmten Sekundenbruchteil, 1/299792458, zurücklegt. Daher müssen wir über die Begriffe Raum, Zeit und Lichtgeschwindigkeit als Gesamtheit nachdenken. Dazu mehr im folgenden Kapitel.
ZEIT VON GESTERN? WIR WISSEN NICHT, WIE DER KOSMOS TICKT
Im Jahr 1932 machten Irène Joliot-Curie, die Tochter der Pionierin der Radioaktivität Marie Curie, und ihr Mann Frédéric eine kuriose Beobachtung. Auf einer der Fotografien ihrer Nebelkammerexperimente bemerkten sie eine gekrümmte Bahn. Die Ablenkung in einem Magnetfeld sah nach einem Teilchen aus, das in Masse und Ladung mit einem Elektron übereinstimmte, und so glaubten sie, dass dieses ohne erkennbaren Grund in einen Atomkern hineingestürzt war. Sicher haben sie sich später geärgert, dieser Merkwürdigkeit nicht auf den Grund gegangen zu sein, denn in Wirklichkeit zeigte die Aufnahme ein Positron, das aus dem Kern kam und eine dem Elektron entgegengesetzte positive Ladung trug. Carl Anderson, der 1932 ein Positron aus der Höhenstrahlung fotografierte, gilt nun als Entdecker der Antimaterie.
Was ist das? Es handelt sich um rätselhafte Spiegelbilder von Elementarteilchen, die diesen exakt gleichen, jedoch eine elektrische Ladung mit umgekehrtem Vorzeichen tragen. Dramatisch ist das Zusammentreffen von Materie und Antimaterie. Ihre Masse wird dabei in einer sogenannten Paarvernichtung nach Einsteins Formel E = mc 2 komplett in Lichtenergie umgewandelt und entfaltet so eine etwa tausendmal stärkere Explosionskraft als Kernreaktionen. Aus diesem Grund wäre Antimaterie im Weltraum auch auf große Distanzen gut sichtbar. Man sucht intensiv danach, aber aus der sehr geringen Häufigkeit von entsprechender Gammastrahlung, die Paarvernichtung markieren würde, muss man schließen, dass das Universum praktisch nur aus ‚normaler‘ Materie besteht. Woher kommt diese Asymmetrie? Warum hat die Natur dem leichten Elektron ein negatives Ladungsvorzeichen gegeben und dem schweren Proton ein positives? Ansonsten machen die Naturgesetze zwischen Materie und Antimaterie keinen Unterschied. [18] Wie kann man sich überhaupt Antimaterie erklären? Vielleicht steckt in dem Fehler der Joliot-Curies ja ein tieferer Sinn: Tatsächlich irrten sie sich über den Ablauf der Zeitrichtung. Positronen könnten in der Zeit rückwärts laufende Elektronen sein! Diese Idee hatte 1941 zum ersten Mal der Schweizer Physiker Ernst Stückelberg, 53 bekannt wurde sie jedoch erst durch
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