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Auf dem Holzweg durchs Universum: Warum sich die Physik verlaufen hat (German Edition)

Auf dem Holzweg durchs Universum: Warum sich die Physik verlaufen hat (German Edition)

Titel: Auf dem Holzweg durchs Universum: Warum sich die Physik verlaufen hat (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Unzicker
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durch die Gezeiten ein vielfach größeres Signal, das kaum präzise herauszurechnen ist. 43 Zwei italienische Physiker, ehemals Arbeitskollegen, beschuldigten sich dabei gegenseitig, die Genauigkeit der Resultate des jeweils anderen sei völlig übertrieben. 44
    Solche Szenen könnten erst dann der Vergangenheit angehören, wenn die gesamte Auswertung der Rohdaten öffentlich gemacht würde. Denn die Versuchung, mehr Genauigkeit erreichen zu wollen, als die Messungen rechtfertigen, ist ziemlich groß.
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    Wenn die Wissenschaft ihren Kreis durchlaufen hat, so gelanget sie natürlicher Weise zu dem Punkte eines bescheidenen Mißtrauens, und sagt, unwillig über sich selbst, wie viele Dinge gibt es doch, die ich nicht einsehe. – Immanuel Kant
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    Im Übrigen: Ob nun die kleine Raumverdrehung des Lense-Thirring-Effekts existiert oder nicht, sie klärt das Rätsel von Newtons Eimer nicht auf. Denn nach der Einsteinschen Theorie würde sich die Wasseroberfläche des rotierenden Eimers in einem leeren Universum ebenso krümmen, nach Mach hingegen nicht. Die Frage, die an den Zusammenhang der Naturgesetze mit dem Zustand des Kosmos rührt, ist bis heute unbeantwortet.
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    Jeder moderne Gedanke besteht im Denken des Undenkbaren. – Michel Foucault, französischer Philosoph
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VORZEITIGER TOD DES ÄTHERS – EINSTEIN LEBT IM FESTKÖRPER WEITER
    Während es für die Allgemeine Relativitätstheorie darauf ankommt, ob ein Bezugssystem beschleunigt ist, beschäftigt sich Einsteins Spezielle Relativitätstheorie mit der Frage, wie wir die gleichförmige Bewegung eines Bezugssystems spüren. Die Antwort lautet: gar nicht. Das war sehr überraschend, denn im 19. Jahrhundert konnte man sich die Ausbreitung von Lichtwellen nur innerhalb eines ruhenden Mediums vorstellen: Es müsse etwas geben, das schwingt, und man nannte dieses elastische Medium Äther. Die Idee war populär, weil Lichtwellen tatsächlich große Ähnlichkeit mit transversalen Wellen der Kontinuumsmechanik haben, bei denen das Medium senkrecht zur Ausbreitungsrichtung schwingt. Die Amerikaner Albert Abraham Michelson und Edward Morley versuchten daher, den ruhenden Äther nachzuweisen, durch den sich ihrer Vorstellung nach die Erde mit großer Geschwindigkeit hindurchbewegte. Das Ergebnis des Experiments war jedoch verstörend, denn die Bewegung der Erde machte sich nicht im Geringsten bemerkbar. Einstein beschrieb dies mit der Speziellen Relativitätstheorie auf spektakuläre Weise, ohne einen Äther vorauszusetzen. Er folgerte weiter, dass bewegte Uhren langsamer gehen und Längenmaßstäbe bei großer Geschwindigkeit verkürzt erscheinen – erstaunliche Vorhersagen, die jedoch glänzend bestätigt wurden. Enttäuscht davon, dass der Äther sich hier als so nutzlos erwiesen hatte, verwarfen die Physiker das ganze Konzept eines ausgezeichneten, ruhenden Koordinatensystems. Vielleicht zu Unrecht.
    Auch Einstein hat sich später wieder mit dem Äther beschäftigt – aus gutem Grund. Denn es ist leider wenig bekannt, dass die Spezielle Relativitätstheorie der Idee eines Äthers keineswegs widerspricht. Vielmehr folgt aus den Gleichungen der Kontinuumsmechanik, dass sich alle Wellenlängen bei Bewegung verkürzen, und zwar im gleichen Maß wie in Einsteins Theorie. Mehr noch: Sind in einem Festkörper Unregelmäßigkeiten vorhanden, die eine elastische Spannung erzeugen, gehorcht die dabei gespeicherte Energie sogar der berühmten Formel E = mc 2 . c steht hier für die transversale Schallgeschwindigkeit im Festkörper, die von Wellen ebenso wenig erreicht werden kann wie die Lichtgeschwindigkeit im leeren Raum! Dies ist höchst erstaunlich, wurde aber erst 1949 entdeckt, 45 nachdem die Spezielle Relativitätstheorie fast ein halbes Jahrhundert alt war, und blieb so eine weitgehend unbekannte Kuriosität. Die Theorie der Unregelmäßigkeiten im Festkörper, sogenannter Versetzungen, hat faszinierende Aspekte, die mich lange begeisterten, nachdem ich in den 1990er Jahren noch Ekkehart Kröner kennenlernen konnte, der die Theorie mitentwickelt hatte. Kröner hatte stets darauf hingewiesen, dass ein Kontinuum mit Versetzungen der Raumzeit mit Elementarteilchen fundamental ähnlich sein könnte. 46
    Das fundamentale Missverständnis der ursprünglichen Äthertheorien war, dass man sich Teilchen als fremde Substanz im Äther vorstellte, die sich bei Bewegung durch diesen hindurchzwängen musste, was schon absurd ist, wenn man an die Reibung denkt. Dem

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