Auf dem Holzweg durchs Universum: Warum sich die Physik verlaufen hat (German Edition)
manchmal als Welle und manchmal als Teilchen? Einstein lud zum Beispiel Heisenberg 1926 in seine Berliner Wohnung ein und unterhielt sich mit ihm stundenlang darüber. 76 So eine Diskussionskultur ist heute weitgehend verschwunden.
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Fünfzig Jahre Grübeln haben mich der Frage „Was sind Lichtquanten?“ nicht näher gebracht. – Albert Einstein
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SHOWDOWN UM DEN ZUFALL
Heisenberg hatte übrigens Schrödingers anschauliche Wellengleichung durch langwierige Rechnungen vorweggenommen. Eine Zeit lang gab es Streit darum, welche Darstellung die richtige ist, bis klar wurde, dass die Ansätze nur zwei sehr unterschiedliche Formulierungen derselben Sache waren. Die Streithähne waren aber dadurch nicht besänftigt, denn Schrödinger hing der Idee an, Elektronen mit ihren Ladungen seien gleichmäßig im Raum verteilt, ihre plötzlichen Sprünge – Konsequenz des Aussendens von Lichtquanten – waren ihm zuwider.
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Die Natur macht keine Sprünge. – Gottfried Wilhelm Leibniz
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Das Dilemma zwischen Welle und Teilchen kann man umgehen, wenn man sich vorstellt, die Welle sei nichts Reales, sondern lediglich eine gedachte Schwingung, deren Form nichts über das Teilchen selbst aussagt, sondern nur über die Wahrscheinlichkeit, es anzutreffen. Diese Idee von Max Born, bekannt als statistische Interpretation der Quantenmechanik, beschreibt die Ergebnisse von Experimenten durchaus erfolgreich. Im Sinne einer Mehrheitsentscheidung hat sich diese Sicht der Dinge durchgesetzt, obwohl der Grund wohl weniger in ihrer intellektuellen Überzeugungskraft liegt als in den Ereignissen, die sich auf der legendären Solvay-Konferenz 1927 in Brüssel abspielten.
Fast alle berühmten Physiker hatten sich an einem Ort eingefunden: Was für ein Treffen! In den heftigen Diskussionen der Teilnehmer bildeten im wesentlichen Heisenberg, Pauli, Bohr und Born eine Allianz, die die Wahrscheinlichkeitsinterpretation vertrat, die heute als ‚Kopenhagener Deutung‘ bezeichnet wird. Vor allem Einstein, dem der Satz „Gott würfelt nicht!“ zugeschrieben wird, wehrte sich mit Händen und Füßen gegen diese Elemente des Zufalls in der Physik und brachte geistreiche Gedankenexperimente gegen Heisenbergs Unschärferelation vor.
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Die meisten sehen gar nicht, was sie für ein gewagtes Spiel mit der Wirklichkeit treiben. 77 – Albert Einstein
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(9) Niels Bohr und Albert Einstein im Gespräch
Dass Bohr in einem Fall zeigen konnte, dass Einstein einen Effekt seiner eigenen Allgemeinen Relativitätstheorie übersehen hatte, war ein Fanal für die Durchsetzung der neuen Theorie. Schrödinger hingegen konnte nicht akzeptieren, dass ein Atomzustand erst durch Beobachtung festgelegt werde, und verspottete die Kopenhagener Deutung, indem er ein Atom mit einer Katze in einer Kiste verglich: Wenn zwei Atomzustände einer toten oder lebendigen Katze entsprechen, solle man denn dann davon ausgehen, über das Schicksal des Tieres werde erst durch einen Blick in die Kiste entschieden?
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Nur ein Narr verzichtet auf die Hypothese der realen Außenwelt. – Erwin Schrödinger
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Wegen dieser Meinungsverschiedenheiten war es ihm gar nicht recht, dass seine eigene Wellenmechanik offenbar kompatibel war mit der Theorie von Heisenberg, welcher, unterstützt von Pauli, das Problem für erledigt erklärte und sich selbst als Sieger in der Diskussion sah. Schrödinger soll dagegen gesagt haben: 78 „Die Göttinger benutzen jetzt meine schöne Wellenmechanik, um ihre Scheiß-Matrixelemente auszurechnen.“ Pauli lästerte im Gegenzug über „die kindischen Arbeiten von Schrödinger, der heute noch glaubt, er könne der statistischen Deutung seiner Funktion entgehen“. 79 Diese Anekdoten zeigen eines: Die Gründerväter der Quantenmechanik waren sich grundlegend uneins, wie ihr gemeinsames Kind zu verstehen sei. [25] Fortan sprachen sie auch nicht mehr in dieser Form miteinander. Vielleicht begann in diesem Moment die Krise der Theoretischen Physik.
ICH HABE DA NOCH EINE FRAGE …
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Man soll sich auch nicht klarer ausdrücken, als man denkt. – Niels Bohr
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Bohrs Diskussionsbeiträge waren alles andere als klar und für jeden nicht völlig aufmerksamen Zuhörer in ihrer Länge ermüdend. Als Gesprächspartner war er geradezu gefürchtet. Schrödinger, der sich einmal zu Besuch bei ihm zu Hause aufhielt, wurde von ihm derart in Beschlag genommen, dass er sich wahrscheinlich halb willentlich einen Infekt zuzog, was Bohr nicht
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