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Auf dem Holzweg durchs Universum: Warum sich die Physik verlaufen hat (German Edition)

Auf dem Holzweg durchs Universum: Warum sich die Physik verlaufen hat (German Edition)

Titel: Auf dem Holzweg durchs Universum: Warum sich die Physik verlaufen hat (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Unzicker
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gibt, wie Feynman ebenfalls beschreibt, einen noch etwas subtileren Versuch, die Masse des Elektrons zu berechnen. Der Impuls, das Produkt von Masse und Geschwindigkeit, bleibt bei physikalischen Prozessen ebenso erhalten wie die Energie; das zeigt sich zum Beispiel sehr anschaulich beim Zusammenprall von Billardkugeln. Auch fliegende Elektronen haben einen Impuls, ja sogar das elektromagnetische Feld selbst, was sich mit einer Formel berechnen lässt, die 1884 der britische Physiker John Henry Poynting entwickelte.
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    Das Elektron ist ein zu einfaches Ding, als dass man nach Gesetzen fragen könnte, die seine Struktur entstehen lassen. – Paul Dirac
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    Entsprechend verursacht auch Licht einen Rückstoß, er muss beispielsweise bei der Navigation von Satelliten berücksichtigt werden, die dem Sonnenlicht ausgesetzt sind. Versucht man aber, mit Poyntings Formel den Impuls eines bewegten Elektrons zu berechnen, indem man das umgebende elektromagnetische Feld betrachtet, stellt sich heraus, dass das Elektron wiederum eine unendliche Masse haben müsste – schlimm genug. Aber diese unterscheidet sich auch noch von jener vorher mit der Energieformel berechneten Masse um den Faktor ¾! Unendlich oder drei Viertel mal unendlich ist egal, könnte man einwenden, sogar mit einer gewissen mathematischen Berechtigung. Aber selbst wenn es gelänge, die Unendlichkeit durch ein nicht-punktförmiges Elektron zu beseitigen, bliebe immer noch dieser irritierende Faktor, der jede noch so schöne Lösung kaputt macht. Die Situation ist verfahren.
    Diese hoffnungslose Lage hat schon viele Theoretiker verzweifeln lassen, und vermutlich wird gerade deshalb das Problem oft verdrängt. Schon einige Male allerdings bin ich von Physikern belehrt worden, das Rätsel mit der unendlichen Masse habe sich aufgelöst, nämlich durch die in der Folgezeit entwickelte Theorie der Quantenelektrodynamik. Wohl hatte diese Theorie ihre Erfolge, aber die Analyse von Richard Feynman ist unzweideutig: 71 „Die Schwierigkeiten bleiben bestehen, wenn der Elektromagnetismus und die Quantenmechanik vereinigt werden.“ Hat er hier in seinem Lehrbuch etwas übersehen? Wer dieser Ansicht zuneigt, muss die Quantenelektrodynamik allerdings besser verstanden haben als Feynman selbst, dem für ihre Entwicklung 1965 der Nobelpreis verliehen wurde. „Es ist also keine Zeitverschwendung, wenn wir uns diese Schwierigkeiten jetzt ansehen“, rät Feynman schließlich. Und doch scheinen gerade diejenigen Physiker keine Zeit mehr zu haben, in sein Lehrbuch zu schauen, deren Arbeit am meisten vom mangelnden Verständnis der stark beschleunigten Elektronen betroffen ist.
BESCHLEUNIGTE ÜBERSPRUNGSHANDLUNGEN
    Mit neuartigen Lasern kann man geradezu unglaubliche Strahlungsleistungen erzeugen – bis zu 10 24 Watt pro Quadratmeter, was einer Energiedichte von einer Milliarde Kilowattstunden pro Kubikmeter entspricht. Ein fingerdicker Strahl dieser Art würde den Chiemsee verdampfen lassen, könnte man ihn zehn Sekunden lang aufrechterhalten. Laserlicht ist aber nichts anderes als eine elektromagnetische Welle, und entsprechend spürt ein Elektron, welches in so einen Laserstrahl gerät, ein immenses elektrisches Feld mit entsprechend heftiger Beschleunigung. Das Laserlicht als solches ist übrigens völlig harmlos. Ähnlich wie in einem Mikrowellenherd wäre lediglich eine zu hohe Intensität ungesund – wie leider manche Meerschweinchen erfahren mussten, deren Besitzer sie darin trocknen wollten. Geraten hingegen Elektronen in den Fokus dieser Laserstrahlen, entsteht gefährliche Röntgenstrahlung – auch nichts anderes als Licht, aber mit einer ungemütlich kurzen Wellenlänge. Denn bekanntlich können beschleunigte Elektronen gar nicht anders, als elektromagnetische Wellen abzustrahlen, und die Heftigkeit der Beschleunigung führt zu einer extrem kurzen Wellenlänge. Im Prinzip handelt es sich dabei um ein hochinteressantes Forschungsgebiet. Laser, die fast ins Wohnzimmer passen, werden höchstwahrscheinlich eines Tages die gigantischen Teilchenbeschleuniger verdrängen wie Chips die Schreibmaschinen. Aber noch mal: Verstanden haben wir den Zusammenhang zwischen Beschleunigung und Abstrahlung noch nicht, trotz aller neuartigen Technik.
    Angesichts dessen ist der quirlige Forschungsbetrieb auf diesem Gebiet etwas irritierend: Obwohl man zu ganz elementaren Fragen keine Theorie hat, rüstet man sich für einen Größer-Schneller-Besser-Wettlauf, der unverstandene

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