Auf dem Holzweg durchs Universum: Warum sich die Physik verlaufen hat (German Edition)
davon abhielt, von der Bettkante des Krankenlagers aus weiterhin auf ihn einzureden. 80 Und Paul Ehrenfest beklagte sich, dass Bohr bei der Solvay-Konferenz noch um ein Uhr nachts bei ihm klopfte, um „ein einziges“ klärendes Wort zu äußern, was jedoch nie vor drei Uhr endete. 81 Ehrenfest war ein hochintelligenter Skeptiker, der später leider Selbstmord beging.
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Ich bewunderte Bohr sehr. Wir hatten lange Gespräche zusammen, lange Gespräche, in denen praktisch nur Bohr sprach. – Paul Dirac
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In einem Aufsatz 82 aus dem Jahr 1932 benannte er einen wunden Punkt der Kopenhagener Deutung: Nach ihr kann man die Wahrscheinlichkeit, an einem bestimmten Ort ein Elektron anzutreffen, schon mit dem dortigen Wert der Wellenfunktion berechnen. Bei Lichtquanten hingegen, deren Wellenfunktion einfach das elektrische Feld ist, liegt der Fall anders! Um überhaupt die Wellenlänge zu bestimmen, müsste man zuerst das elektrische Feld in der Umgebung betrachten (mit einer sogenannten Fourier-Analyse), denn dessen Betrag an einem Ort sagt nichts darüber aus, welches Teilchen überhaupt – mit welcher Wahrscheinlichkeit auch immer – dort angetroffen werden soll.
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Wenn wir also im Wellenpaket oder der Wellengruppe für das Teilchen eine Art anschauliches Bild gewinnen …, so dürfen wir dieses anschauliche Bild aus vielen Gründen nicht ganz ernst nehmen. 83 – Erwin Schrödinger
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Das ist ein fundamentaler Unterschied im Verhalten von Materie und Licht, für den der Formalismus der Quantenmechanik bis heute keine Erklärung hat. Letztlich drückt sich die Kopenhagener Deutung um die Frage, wie die Welle denn flugs zum Teilchen wird. Über dieses Messproblem der Quantenmechanik ist erdrückend viel geschrieben worden, sodass ich dem nicht viel hinzufügen möchte. Eine Lektüre, die Spaß macht und einige Worthülsen seziert, ist zum Beispiel John Bells Buch Speakable and Unspeakable in Quantum Mechanics .
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Dieses Problem der Interpretation hat sich als um einiges schwieriger herausgestellt, als nur die Gleichungen auszuarbeiten. – Paul Dirac
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Man hat aber bisher einfach keine überzeugendere Interpretation der Quantentheorie, insbesondere keine, die neue überprüfbare Vorhersagen macht. Solche fehlen zum Beispiel bei der Viele-Welten-Theorie, die anstelle einer Zufallsentscheidung annimmt, in jedem Moment würden sich romanhafte Alternativwelten verzweigen, die alle real seien, und wir lebten just in einer davon. Meine persönliche Lieblingswelt ist die, in der es die Viele-Welten-Theorie gar nicht gibt. Nach der Viele-Welten-Theorie muss auch diese existieren. So sind alle zufrieden, auch diejenigen, die den Ansatz heute zu Multiversums-Theorien verallgemeinern wollen, die zur Erklärung von allem taugen, wenn man gar nichts mehr verstanden hat.
Der Nährboden für solche Fantasien sind die merkwürdigen Naturerscheinungen der Quantentheorie, die bisher noch nicht wirklich verstanden wurden. Trotz neu gebildeter Begriffe ist unser Vorstellungsvermögen dabei ziemlich hilflos. In solchen Situationen ist die Wissenschaft anfällig, eine von der Mehrheitsmeinung diktierte Richtung einzuschlagen und Querdenker auszugrenzen wie etwa David Bohm, der in seiner Theorie den Zufall mit Annahmen zu umgehen versucht, die allerdings auch nicht leicht zu verdauen sind. Bohm war sicher ein kluger Kopf, und interessanterweise schätzte Richard Feynman ihn offenbar so sehr, [26] dass er während seines Aufenthaltes in
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Zunächst hat mich Ihr Bedürfnis, mir eine Liste von Physikern zu schicken, die Oppenheimer lieben, sehr amüsiert. Es liegt nahe, dies mit der Tatsache zu verbinden, daß Sie selber sich nicht auf der Liste befinden. – Wolfgang Pauli an Paul Ehrenfest
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Rio de Janeiro mit ihm auf ausgedehnten Strandspaziergängen diskutierte. 84 Wem dagegen die Karriere wichtig war, der versuchte bei der reinen Lehre aus Kopenhagen zu bleiben. So soll der ehrgeizige Robert Oppenheimer zum Beispiel geäußert haben: „Wir müssen beschließen, Bohm zu ignorieren.“ Die Quantenmechanik begann orthodox zu werden. Kein gutes Zeichen für eine Wissenschaft.
UNANTASTBARES UNVERSTÄNDNIS
Bei aller Genialität hat Bohr zur Kopenhagener Deutung später ausufernde Beiträge geschrieben, die man nur als Geschwafel bezeichnen kann. In einem seiner Aufsätze wurden die Seiten sogar in falscher Reihenfolge gedruckt 86 – was allerdings niemandem auffiel. Weil die Wellen- und Teilchenaspekte der
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